Wattwanderung auf Juist: Heino zeigt Verborgenes im Boden

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Wattwanderung auf Juist: Faszinierende Einblicke in ein verborgenes Ökosystem

Grau ist der Boden, ein wenig schwabbelig und irgendwie verlassen – und verlassen – und doch steckt er voller Leben. Wattführer Heino Behring zeigt bei einer geführten Wattwanderung auf Juist, wie lebendig und empfindlich das Wattenmeer wirklich ist. Was auf den ersten Blick wie unscheinbarer Schlamm wirkt, entpuppt sich als komplexer Lebensraum voller Würmer, Muscheln, Krebse und kleiner Naturwunder.

Mit einer Grabegabel sticht der Wattführer in den Boden und zieht vorsichtig einen Wurm heraus.

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Auf geht's ins Watt

Es ist nicht einfach irgendein Wurm. „Seht Ihr diese Sandspaghetti hier“, fragt Wattführer Heino. Nur wenige Sekunden später zieht er routiniert einen langen Wurm aus dem Schlick. „Das ist der Sandpierwurm. Er ist die Lunge unseres Watts.“ Der Wurm gräbt einen u-förmigen Gang, frisst dabei den Sand und scheidet ihn wieder aus. Die organischen Teile verwertet er als Futter. Es ist der Wurm, der den Boden stärkt. Seine Löcher belüften das Watt, das sonst weich und stinkend sein würde. „Er filtert unseren planktonreichen Boden. Gäbe es den Sandpierwurm nicht, würde unser Watt verschlicken.“

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Sandpierwurm

Was macht den Sandpierwurm so wichtig?

  • Er gräbt u-förmige Gänge im Wattboden.

  • Er frisst Sand, filtert organische Bestandteile und scheidet gereinigten Sand wieder aus.

  • Seine Röhren belüften das Watt und stabilisieren den Untergrund.

  • Ohne ihn würde das Wattenmeer verschlicken und Fäulnisprozesse in Gang kommen..

Die Zahl der Wattwürmer habe sich insgesamt in den vergangenen Jahrzehnten nahezu halbiert. „Der Bau von Häfen, die Vertiefung der Fahrrinnen, etwa für die Fähre nach Juist, Verklappung von Müll im Meer, all das ist nicht gut für den Lebensraum des Wurms.“ Heino schaut in die Runde, seine tiefblauen Augen eindringlich auf seine rund 50 Teilnehmer der Wattwanderung gerichtet: „Und jetzt fragt Ihr Euch: Was habe ich damit zu tun? Ich sitze in Stuttgart oder NRW und bin weit weg von Watt?“ Heino schüttelt den Kopf. „Nee, nee. Ihr hängt alle mit am Tropf des Wattenmeeres.“

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Barfuß gehts los

Warum geht die Zahl der Wattwürmer zurück?

  • Vertiefung von Fahrrinnen (z. B. für die Fähre nach Juist).

  • Hafenbauten und Umlenkungen der Strömung.

  • Eintrag von Müll und Schadstoffen.

  • Mechanische Belastungen des Bodens.

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Irgendwas findet sich immer

Das Wattenmeer ist wichtiger Lebensraum für Zugvögel. Dort stärkt sich die Ringelgans mit dem eiweißreichen Futter aus dem Schlick, so dass sie in einem Rutsch bis nach Sibirien durchfliegen kann. „Andere Vögel ziehen bis an den Polarkreis aufgrund unseres Kraftfutters.“ Das Wattenmeer ist ein wichtiger ökologischer Faktor für unsere Meere. „Das größte biologische Klärwerk der nördlichen Hemisphäre“, nennt es Heino und zeigt uns den Hauptakteur dabei: Die Herzmuschel. Sie filtert bis zu einem dreiviertel Liter Wasser pro Stunde, die Miesmuscheln schaffen sogar vier Liter pro Stunde. 

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Herzmuscheln

Leistung der Muscheln

  • Herzmuschel filtert: ca. 0,75 Liter Wasser pro Stunde

  • Miesmuschel filtert: bis zu 4 Liter pro Stunde

  • Sie reinigen Trübstoffe, Algen und organisches Material aus dem Wasser

Doch die Muschelfischerei setzt den Beständen schwer zu. Herzmuscheln werden zwar nicht mehr gefangen, Miesmuscheln aber weiterhin – und die Bestände sinken.

Heino gräbt einige Muscheln aus: „Sie sind blind, aber sie können sehr gut hören und fühlen.“ Mit Sorge betrachtet er die Muschelfischerei. Zwar werden Herzmuscheln nicht mehr gefangen, doch Miesmuscheln schon. 

Mini-Experiment im Watt

Heino füllt zwei Flaschen mit trübem Meereswasser. In eine gibt er Muscheln, in die andere nicht. Am Ende der Wanderung ist das Muschelwasser klar wie Leitungswasser – ein beeindruckender Effekt, der für viele Teilnehmer unvergesslich bleibt. Die Muscheln haben alle Schwebstoffe geklärt.

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Das Wasserexperiment

Weiter geht es zu den Krebsen. „Sandkrabben heißen die“, korrigiert Heino, der schon seit 37 Jahren Wattführungen macht und diesen Beruf von seinem Vater gelernt hat. Dabei erzählt er so manche Anekdote. Er hat heute morgen einen Eimer voll gefangen, weil er sie den Teilnehmern der Führung zeigen wollte. Jeder bekommt eines dieser bescherten Schalentierchen in die Hand, auch ich. Ich muss zugeben, auch nachdem neben mir einer „autsch“ gerufen hat, ist mein Respekt vor den Krebsen etwas gestiegen. Als ich sie aber mit sicherem Griff festhalte, denke ich, dass der Krebs bestimmt mehr Angst hat als ich und fühle mich irgendwie unwohl, ihn in der Hand zu halten, anstatt das Tier im Watt zu wissen. Also noch einmal anschauen und dann schnell ins Wasser geben, wo er sich hurtig wieder eingräbt.

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Auge in Auge mit der Sandkrabbe
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Sandkrabbe

Die Sandklaffmuschel – ein verborgenes Wunder

Spannend wird es, als Heino nach einer Sandklaffmuschel gräbt.
Als er sie findet, ist schnell klar, warum dieses unscheinbare Tier besonders ist: Die Muschel besitzt einen Sipho, ein verlängertes Organ, das ihre Körpergröße um ein Vierfaches überragt. Damit filtert sie Nahrung und Sauerstoff aus dem Boden – ein erstaunliches Beispiel für die Kreativität der Natur. Jetzt bin ich doch ein wenig baff, was sich Erstaunliches im Meeresboden verbirgt. 

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Heino mit der Sandklaffmuschel
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Sandklaffmuschel mit eingezogenem Sipho

Wir gehen noch zu einer Austernbank und machen uns dann wieder auf den Rückweg. „Man sollte im Watt immer barfuß laufen, denn der Boden ist sehr jodhaltig und das nehmen wir über die Fußsohlen auf“, weiß der Wattführer. 

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Heino gräbt ein tiefes Loch

Wir sind bei den beiden Muschelflaschen angekommen. Erstaunlich, tatsächlich ist das eine Wasser klar wie Leitungswasser während das andere trüb geblieben ist.

Heino schüttet die Muscheln aus, die sich schnell wieder vergraben. „Wer hier zögerlich ist, den findet der Schnabel des Austernfischers oder andere Vögel sehr schnell. Bummelanten, Transusen und Schlafmützen werden vom Leben bestraft.“ 

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Es har funktioniert, die Muscheln haben das Wasser gefiltert.

Das Wattenmeer als globales Kraftwerk der Natur

Das Wattenmeer ist nicht nur eine einzigartige Landschaft – es ist ein elementarer Knotenpunkt des weltweiten Ökosystems.

Wichtiger Rastplatz für Zugvögel

  • Die Ringelgans tankt hier Energie für ihren Nonstop-Flug nach Sibirien

  • Viele Arten schaffen nur dank des nährstoffreichen Schlicks den Weg bis an den Polarkreis

  • Ohne das Wattenmeer wären diese Wanderungen unmöglich

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Heino zeigt sein Krebsnetz.

Praktische Infos zur Wattwanderung mit Heino auf Juist

Buchung:
Geführte Wattwanderungen mit Heino gibt es hier: www.heino-juist.de

Beste Zeit:
Zwischen April und Oktober, abhängig von den Gezeiten.

Dauer:
Ca. 2–3 Stunden, je nach Route und Bedingungen.

Ausrüstung-Empfehlung für die Wattwanderung

  • Barfuß oder alte Schuhe (keine Gummistiefel)

  • Windjacke

  • Wechselkleidung

  • Sonnenschutz

  • Kamera für Makro-Aufnahmen

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So hält man Sandkrabben gefahrlos

Häufige Fragen zur Wattwanderung auf Juist

Ist eine Wattwanderung gefährlich?

Allein ja – geführt nein. Die Gezeiten sind unberechenbar. Mit einem erfahrenen Wattführer wie Heino ist die Tour sicher.

Kann man Wattwanderungen mit Kindern machen?

Ja, sehr gut sogar. Führungen sind kurzweilig, spannend und für Familien geeignet.

Was lernt man auf einer Wattwanderung?

  • Ökologie des Wattenmeers

  • Bedeutung der Wurm- und Muschelbestände

  • Verhalten bei Gezeiten

  • Spannende Naturphänomene

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Der Sipho reagiert auf Berührungen

Mehr über Juist & die Ostfriesischen Inseln

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Die Recherche wurde unterstützt von der Kurverwaltung Juist – vielen Dank dafür.

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18 Antworten

  1. Heute muss ich kommentieren… ? Ich habe diese Wanderung mit Heino im letzten Juni gemacht und war ebenso beeindruckt. Dank Dir für den schönen Bericht.

  2. Wirklich ein herrlicher Artikel. Ich habe schon einiges über Muscheln gelesen oder gesehen, aber an der Ostsee war ich noch nicht. Bis jetzt zumindest. 😉

  3. Was für ein schöner Artikel, beim Lesen fühle ich mich praktisch wie live dabei! Und die Fotos erst: besonders das von Dir und der Sandkrabbe ist großartig! 🙂

  4. Vielen Dank für den schönen Bericht. Im September 2016 hatten wir eine wunderbare Wattwanderung mit Heino und freuen uns auf September dieses Jahres.

  5. du schaffst es mit deinen artikel häufig mich an vergangene reisen zu erinnern. eine ähnliche wie de von dir hier beschrieben liegt bei mir jedoch mehr als zwanzig jahre zurück.war auch damals sehr eindrucksvoll diese tour durchs watt. könnte ich, angeregt durch dich, ansich malins programm nehmen. vielleicht find ich ja reste des versunkenen runghold…

  6. Ja, Rungholt :-), das steht auch gerade auf meiner Liste. Lustig. Finden werde ich es wohl leider nicht, aber dennoch…. Danke, lieber Peter für deine Worte. Das freut mich sehr, wenn mir das gelingt und motiviert mich, weiterzumachen. Das Watt ist etwas Besonderes, wenn man sich darauf einlassen kann. Viele Grüße

  7. Wir haben schon viele geführte Wanderungen ins Watt unternommen. Bei uns an der Ostsee ist das Wasser ja immer da. Jedes mal hatte ich die Befürchtung, dass die Kinder hinterher meckern es war langweilig. Sie entdecken aber immer wieder Neues und finden inzwischen selber zielsicher vergrabene Muscheln und Krebse. Ich kann jeder Familie nur empfehlen sich mit einem Guide ins Wattenmeer zu begeben und dort spannende Erlebnisse zu machen.

Wer schreibt hier?

Hallo! Ich bin Andrea Lammert. Als Wegreisende, Bücherschreibende und Bloggerin bin ich stets auf Achse.

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