Wer wilde Tiere sehen will, muss früh aufstehen. Das ist nicht nur in Afrika so. Auch im italienischen Comacchio lohnt es sich, vor Sonnenaufgang durch die Natur zu wandern. Ich war mit dem italienischen Naturfotografen Maurizio Biancarelli zum Birdwatching im Podelta unterwegs.
Nebel steigt von den kleinen Kanälen im Comacchio auf. Es ist fünf Uhr morgens, stockdunkel und ich denke: Ich muss bescheuert sein, mitten in der Nacht hier rumzulaufen, nur um Vögel anzuschauen – mitten in der Nacht zum Birdwatching am Podelta. Neben mir geht Maurizio Biancarelli, gut gelaunt und mit einem wachen Gesichtsausdruck als wäre es elf Uhr morgens. Er freut sich auf unser Birdwatching am Podelta. Seit mehr als 25 Jahren fotografiert er Tiere, natürlich immer um diese Zeit, weil sie in der Morgendämmerung am aktivsten sind. Ebenfalls gut gelaunt ist Antonio Romagnoli, er ist unser Guide zeigt uns die besten Stellen zum Birdwatching im Podelta. Auch er kann reden wie ein Wasserfall und hat gute Laune. Die beiden Italiener plaudern in ihrer Muttersprache, während ich versuche, durch den Nebel in meinem Gehirn durchzusteigen. Gut, bin ich eben der einzige Morgenmuffel hier. Im Dunkeln fahren wir über Felder und entlang an Nebenarmen des Po.
Unser Geländewagen hält vor einem Schlagbaum, Antonio hat einen passenden Schlüssel dabei und schon sind wir dort, wo kaum Touristen hinkommen. Auf privatem Land. Leider ist es noch so dunkel, dass ich außer schwarz außen und unseren Scheinwerferbeleuchtungen nichts sehe. Ein Fuchs taucht im Lichtkegel auf und verschwindet wieder. Wir halten vor einem Holzturm. Draußen ist es doch heller als gedacht. Überall schnattert und zwitschert. Und es platscht, denn irgendwie scheinen wir in einem Wirrwarr aus Kanälen und Sumpf zu stehen. Die Nebenarme des Po verästeln sich zu einer einzigartigen Wasserlandschaft, die seit diesem Jahr auch als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt ist. Knapp 140.000 Hektar misst diese besondere Landschaft, die ein ganz besonderes Refugium für Vögel, aber auch Wildpferde und italienische Hirsche geworden ist. Ein Paradies zum Birdwatching am Podelta.
Es dämmert ich sehe die ersten Vögel: Silberreiher fliegen auf und davon, Graureiher stehen ebenfalls in den Kanälen und Flüsschen – der Wasserstand ist flach und reicht ihnen schon nur bis zu den Knien, also wäre es eher ein Fußbad für mich. Wir fahren weiter, über den Deich, rechts und links Wasser und Schilf. Vor unseren Augen nur Weite, Watt und Kanäle. Ein schmaler Streifen Land trennt die Feuchtgebiete von der Adria, die man in der Ferne erahnen kann. Wir erreichen unsere nächste Station. Ein Haus taucht mitten aus dem Nichts auf, auf einer kleinen Landzunge. Wunderschön. So langsam werde ich wach, Maurizio hat schwarzen Tee und Lunchpakete für uns packen lassen. Gut, mit einem erfahrenen Frühaufsteher unterwegs zu sein. Der schwarze Tee tut gut. Ich habe eine Tasse vom Tourismusverband Emilia Romagna zur Begrüßung geschenkt bekommen – perfekt für unsere Touren.
Frühstück? Nicht daran zu denken. Schade, ich würde auch gern mal einen italienischen Kaffee trinken Wir fahren weiter. Doch der Himmel hat ein Erbarmen mit mir. Sprühregen kommt und färbt alles grau. „Ohne Farben kann ich keine Fotos machen“, sagt Maurizio und wir steuern eine kleine Cafeteria an. Da ist schon mein italienisches Frühstück. Doch jetzt hab ich ein schlechtes Gewissen, hätte ich es mir vielleicht nicht wünschen sollen? Wer weiß…
Antonio weiß Rat. Vögel sind bei Regen nicht zu sehen. Aber Wildpferde. Wir fahren auf ein anderes privates Gelände, in dem der Besitzer vor 35 Jahren Camague-Pferde angesiedelt hat. Wilde, weiße Pferde sollen die Landschaft schützen und die kleinen Büsche abfressen, bevor das Land sich die Feuchtgebiete erobert.
„Schau hier“, sagt Antonio und zeigt auf Landstreifen in dem Sumpf. „Hier wachsen Gräser und Kräuter schon sehr hoch. Sogar kleine Brombeerbüsche wuchern. Wenn das so weitergeht, ist das Feuchtgebiet bald trocken. Das wäre eine Katastrophe für uns.“ Die Pferde halten Gräser, Büsche und Kräuter schön kurz und hindern sie am Wachsen. Inzwischen gelten die Tiere auch schon als eigene Rasse, als Cavalli del Delta. Ein besonders hübsches, graues Fohlen fällt mir sofort auf, als wir vorsichtig über die Wiese fahren. Die Tiere sind wild und scheu und stehen in einer Gruppe etwas abseits. Maurizio packt seine Kamera aus, sein Stativ und beginnt zu arbeiten. Klacklackklackklack geht sein Auslöser. Still wie ein Baum steht er in der Landschaft, total mit der Natur verwachsen. Die Pferde stört er nicht. Ich habe eher das Gefühl, sie möchten sich fotografieren lassen. Ich verstecke mich mal vorsichtshalber hinter einem Busch. Zwei Stuten brechen aus der Herde aus und huschen in meine Richtung, ganz ruhig, gar nicht verschreckt. Die Fohlen folgen ihnen. Die Stuten führen ihre Fohlen immer weiter, bis die beiden Jünglinge direkt vor mir stehen. Sie entdecken mich hinter dem Busch und sind neugierig. Ich wage kaum zu atmen, weil sie immer näher kommen. Das eine Graue schaut mir direkt in die Augen und kommt so nahe, dass ich seinen Atem spüren kann. Plötzlich reibt es seine Nase an meiner. Ganz weicher Flaum berührt meine Nasenspitze. Zart bläst es mir seinen Atem ins Gesicht, wie zum Abschied. Schaut mir noch einmal tief in die Augen und geht. Wow! Und da sage noch mal einer, früh aufstehen lohne sich nicht. Danke Maurizio, dass du diesen besonderen Moment für mich festgehalten hast! Thank you so much Maurizio, that you caught this special moment!
Informationen zur Region Emilia-Romagna erteilt das örtliche Tourismusbüro: www.emiliaromagnaturismo.it, Touren wie unsere macht Delta Adventures
Die Recherche zum Birdwatching am Podelta wurde unterstützt vom Emilia Romagna Touristenbüro – danke dafür!
Birdwatching geht übrigens auch am Steinhuder Meer.
15 Antworten
wow was für ein tolles Erlebnis ! Ich bin zwar nicht der Tierfotograf aber das würde mir auch gefallen. Bild 1 ist der Traum und das bild mit den Vogel ( die sehen aus die unsere Deutschlandfahne – die Farben natürlich ) ist nur wunderschön. Ein genialer Ausflug meiner Meinung nach !!! LG Manni
Lieber Manni, ja, war es. Aber das Maurizio ist ein echter Künstler. Es macht einfach nur Spaß, mit ihm zu arbeiten, der ist so toll. Ich schreib noch mal über den, aber das dann später mal. Danke für deinen lieben Kommentar
Herrlich wenn man solch einen Profi an seiner Seite hat. Bin gespannt was da noch kommt ! Nochmals ganz toller Beitrag !!!! Manni
Tolle Bilder und toller Bericht!!!
lg
Danke liebe Tanja! Und Grüße in den Ruhrpott 🙂
Gern geschehen, auch wenn ich Katja heiße 😉 Danke schön.
lg
🙂 Genau – Lesen ist eine Kunst – lach
SUPER! LG.Alois
Damke, lieber Alois!