Wandern im Deister ist schön, doch viel schöner ist es auf dem Rücken eines Pferdes. Eindrücke vom Reiten im Deister.
In den Deister reiten
„Richtig reiten kann niemand“, sagt meine Freundin Silke – und mir fällt ein Stein vom Herzen. Denn schon wieder hängt der Sattel von Milla irgendwie schief, zumindest komme ich mir schief vor und ich überlege, wie man überhaupt grade im Sattel sitzt. So wie Silke eben.
Doch zum Überlegen bleibt mir kaum Zeit, sie galoppiert schon an. Ich bin ein Newbie im Reiten. Und finde mich schon ziemlich gut, dass ich mich überhaupt im Sattel halten kann, aber Silke wäre nicht Silke, wenn sie nicht alles aus mir herausholen würde und wir jetzt ne Runde Galopp reiten würden. Doch das ist ein anderes Thema.
Heute geht es wieder einmal in den Deister und Silke führt. Das kann sie einfach, denn sie ist Reitlehrerin, Pferdeliebhaberin durch und durch und Chefin unserer kleinen Herde. Milla, Angie (die beiden Ponies), Silke und ich haben heute Schönes vor: Wir wollen wieder eine Runde im Deister reiten.
Wir finden den Einstieg über Bredenbeck oder Steinkrug in unser „Hausgebirge“, das einige Kilometer von der Pferdeweide entfernt liegt. Natürlich reiten wir hin, ist ja klar. Dass wir jedoch auch ein Stück auf der Bundesstraße 217 reiten, damit hätte ich heute nicht gerechnet, aber hilft ja nichts, irgendwie müssen wir ja ans Ziel kommen. Einfach ruhig bleiben. Das ist, was ich gelernt habe, denn die Pferde nehmen jede Stimmung sofort wahr und reagieren. Dass LKW an uns vorbeijagen, das stört die Pferde nicht, wenn es mich nicht stört.
Auf nach Bredenbeck
Stoisch bahnen wir uns den Weg. Ich spüre, wie ich extra langsam und tief atme, um die Ruhe zu behalten. Wir queren die Bundesstraße und reiten weiter durch die Felder gen Bredenbeck. Dorthin, wo der Biber wohnt.
Er hat sich am Ortsrand eine Bleibe gebaut und ist fleißig dabei, die Landschaft nach seinem Geschmack zu verändern. So ist aus dem einst kleinen Graben ein gut gefüllter Bach geworden, in dem stattliche Fische schwimmen. Ich merke wieder: Es ist anders zu Pferd. Diese Perspektive.
Man sieht alles aus einem höheren Blickwinkel und ist dennoch mit der Natur verbunden. Dazu die ständige Verbindung mit dem Pferd, sein Kribbeln und seine Sanftheit zu spüren! Zu spüren, dass wir beide Lust auf Abenteuer und Natur haben. Millas Kooperation zu fühlen, aber auch ihre Willensstärke, wenn sich sich verweigert.
Es ist wie ein Eintauchen in eine andere Welt. Und es ist vor allem eines: Eine Reise in die Präsenz, denn jede Antenne meiner Sinne ist im Jetzt, voll und ganz bei der Situation. Schweifen meine Gedanken ab à la „Was koche ich heute abend?“ merkt es Milla sofort und macht Quatsch. Bleibt einfach stehen, zupft gelassen den Löwenzahn vom Rand – und scheint mich herausfordernd anzugrinsen: „Na, kannst du dich jetzt wieder bitte auf mich konzentrieren?“ Wenn wir reiten gehen, dann ist alles andere in meinem Kopf abgeschaltet und das tut gut. Immer. Ohne Ausnahme. Immer.
Auf zum Kammweg im Deister
Wir tauchen ab in den Wald, der jetzt besonders schön ist. Waldmeister und Bärlauch blühen. Aus einer Eiche lächelt mir ein Baumgeist entgegen. Ein knorriges Hexengesicht zeigt sich dort fast direkt auf Augenhöhe mit mir.
Wir kommen vorbei an einem wunderbaren Picknickplatz und nehmen dann den Weg zum Kamm – und der ist richtig steil. Doch Milla macht das nichts, wir galoppieren sogar eine Runde. Und spätestens nach dem Galopp habe ich alle Sorgen und alle Gedanken vergessen und bin einfach nur dankbar für das, was ich gerade erlebe. Auf dem Pferderücken in der Natur. Das war schon seit Kindheitstagen ein Traum, jetzt kann ich ihn endlich nachholen.
Reiten auf dem Kammweg
Der Kammweg im Deister gehört für mich zu den schönsten Wegen. Vor allem zwischen Steinkrug und Bredenbeck, denn dort befindet sich der Gaußstein. Nicht, dass der Mathematiker Carl Friedrich Gauß dort einst Vermessungen vorgenommen hat, ist dort spannend, sondern der Ausblick.
Oben befindet sich eine große kahle Stelle im Wald, der Borkenkäfer hat ordentlich zugeschlagen. Silke schaut auf die Uhr: „Erst eine Stunde unterwegs, wir können noch, oder?“ Ich spüre zwar unbekannte Muskeln an meinem Gesäß ziehen und zerren, aber das ist kein Grund, um aufzugeben.
Gen Steinkrug und Völksen
Also los. Zunächst gen Steinkrug und später biegen wir irgendwann rechts ab. Ich dachte, wir seien auf dem Weg nach Springe, dabei landen wir in Völksen, an einem ausgedienten Bergbauhaus.
Kohle wird dort schon lange nicht mehr gefördert, dafür wohnt im Garten jetzt ein Mini-Hengst, der schnell angetrabt kommt, unseren Stuten schöne Augen macht und voller Testosteron die Nüstern aufbläht.. Ich spüre, wie Milla keck wird und den Kleinen ebenfalls beschnuppert. Nach ein wenig Pferdeflirt verabschieden wir uns von der Zaunbekanntschaft machen uns auf den Rückweg. Doch irgendwie scheinen nur die Menschen zurück zu wollen, denn die Pferde bocken und wollen nicht weiter.
„So richtig reiten kann niemand“, sagte Silke und erklärt, wie anmaßend es eigentlich ist, sich als guten Reiter zu bezeichnen. Denn jedes Pferd ist anders, jede Situation, jeder Tag ist anders. Mal sind die Stuten rossig, mal knarzt ein Baum oder wie in unserem Fall, mal störte vorhin ein dunkler Wasserfleck mitten auf der Bundesstraße und das Pferd weigerte sich, einen Huf vor den anderen zu setzen. Irgendwas ist eben immer.
Hindernisse im Weg
Und nun breitet sich diese – igitt – riesige Pfütze mitten auf dem Weg aus. Angie möchte sich keineswegs die Hufe nass machen und ist stur wie ein Esel. Nicht einen Schritt nach vorn zu bewegen. Ich wachse über mich hinaus und höre mich sagen: „Soll ich es mit Milla versuchen?“ Silke legt den Kopf ein wenig schief. Forschend. Und nickt. Ich spüre ihre Belustigung. Ich versuche, Milla zu drehen und sie führt mich schnurrstracks in den Busch. Hinter mir kichert es. „Vielleicht riechen sie Wildschweine“, sagt Silke und schlägt einen Bogen um die Stelle.
Wir finden uns in einem außerordentlich schönen Buchenwaldstück wieder- Mit den hohen, lichten Stämmen wirkt es wie eine Kathedrale. Wälle türmen sich am Rande auf, Überreste eines Burgwalls?
Wir sitzen nun schon vier Stunden im Sattel, es werden sechs, bis wir wieder an der Weide sind. Voller Erlebnisse, die Pferde mit neuen Eindrücken und wir Menschen den Kopf frei. 19 Kilometer sagt das Handy, hätten wir hinter uns gebracht. Doch Zahlen sind egal. Die Erlebnisse zählen. Selbst der einsetzende Regen kann uns jetzt nicht mehr das Lächeln aus dem Gesicht treiben.
Tipps fürs Reiten im Deister
Es gibt verschiedene Einstiege in den Deister – und einige haben ihre Besonderheiten. Ich persönlich mag den Einstieg über Steinkrug sehr, denn dort ist der Wald schon flach und die Pferde sind nicht so bei steilen Anstiegen gefordert. Doch leider müssen die Pferde dort unter der Unterführung der B 217 durch, einen Tunnel, was eng und laut ist. Das schafft nicht jedes Pferd.
Man könnte aber auch von der anderen Seite gen Steinkrug und von Bredenbeck aus gen Friedwald fahren, dort gibt es einen Parkplatz, falls jemand mit Pferd im Anhänger unterwegs ist.
Es gibt viele Wege im Deister, der durchzogen ist von Wanderwegen, die sich zumeist auch wunderbar reiten lassen. Dabei ist es wichtig, eben diese Wege nicht zu verlassen, denn das Wild hat ohnehin schon sehr wenig Möglichkeiten zu entkommen. Und lieber den Wildschweinen ihren Platz lassen, als mitten durch deren Wohnzimmer zu staksen. Die können sehr unfreundlich werden.
Im Deister rund um die Wasserräder in Wennigsen befinden sich viele Mountainbike-Strecken. Da kann es mitunter an Kreuzungen gefährlich werden. Die Mountainbikestrecken sollten sowieso den Bikern vorbehalten bleiben.
Im Deister gibt es nur wenige Wasserstellen, an denen die Pferde trinken können. Das kann vor allem an heißen Sommertagen ein Problem werden.
Es kann sein, dass am Deister viel los ist, grade an den Wochenenden, da sollte man mit dem Kammweg vorsichtig sein. Vor allem gen Annaturm und Co. Überhaupt: Dort ist der Deister viel belebter und auch steiler als an der Nordostseite bei Steinkrug.
3 Antworten
Hallo, dein Artikel ist toll und mein Mann und ich wollen im Sommer dort Urlaub machen. Kannst du mir eine Adresse deiner Freundin Silke oder Kontaktdaten geben, damit wir sie buchen können?
Liebe Nadine, dankeschön. Ich schreibe dir eine Nachricht.
Viele Grüße
Andrea
Am besten schreibst du mir direkt mal. einfach an info @ indigo-blau.de