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Der Sauerteigflüsterer: Die Brotklappe in Weimar

Brotklappe, Weimar
Inhaltsverzeichnis

Mit dem Brot ist es vielfach eine traurige Geschichte: Es wird zunehmend von Großbäckereien in Massenanfertigung produziert und hat seinen Geschmack verloren. Nicht so in Weimar. In der Brotklappe wird das Brot mit Hand gefertigt – und mit Zeit. Wer wird denn heute freiwillig noch Bäcker? Man muss mitten in der Nacht aufstehen und das auch am Wochenende. Und das für eine Arbeit, die zunehmend von Maschinen gemacht und häufig schlecht bezahlt wird. Und in der die kleine Bäckereien verschwinden und von Ketten ersetzt werden.

Brotklappe Weimar
Sebastian Lück

Sebastian Lück schreckt das nicht. Er setzt voll auf Brot – handgemacht und mit Zeit produziert.  Hat seinen Job vor drei Jahren an den Nagel gehängt, um eine Brotmanufaktur zu eröffnen und ein Zeichen zu setzen: Gegen die industriell gefertigte Massenware knetet er jeden Tag Stunden in seiner Backstube und verwöhnt seinen Sauerteig, als sei es ein eigenes Kind. „Dass das Brot so aus dem Ofen kommt, wie es tatsächlich rauskommt, ist für mich jeden Tag ein neues Wunder“, sagt er.

Sein Fokus liegt dabei ganz auf dem Sauerteig, den er pflegt wie ein Baby, denn er ist das Herz seines Betriebes. „Im Sauerteigkosmos liegt vieles verborgen, was ich immer noch nicht verstehe. Er ist ein Lebewesen und so muss man ihn auch behandeln.“ So wird dieses Lebewesen nicht nur zweimal am Tag gefüttert, sondern auch zwischendurch schaut Lück immer wieder nach seinem wichtigsten Mitarbeiter. „Wenn wir den Raum wechseln oder das Wetter sich ändert, verhält sich auch der Sauerteig ganz anders. Er mag es warm und gemütlich“, so der Bäckermeister weiter, dem nachgesagt wird, dass er seinem Sauerteig auch gerne mal Musik vorspielt.

Vor fünf Jahren hat er seine Festanstellung im Vertrieb und Handel aufgegeben und herumexperimentiert. Zunächst in der eigenen Küche und hatte jeden Tag zwischen 17 und 19 Uhr Verkaufszeit seines Brotes. Schon bald sprach sich die Qualität herum und mehr und mehr Stammkunden wollten auf seine Backwaren nicht mehr verzichten. Vor zwei Jahren hat er sich eine alte Schlachterei in Weimar an der Trierer Straße gemietet und ist dort mit seiner Bäckerei und seinem Café eingezogen. Das Ergebnis: Es ist immer voll besucht, er wird demnächst auf weitere Standorte, etwa gegenüber des Goethehauses ausweiten. Sein Geheimnis? Liest sich wie ein Katalog der Nachhaltigkeit: Die Zutaten stammen aus regionalen Betrieben, vor allem das Mehl, das aus einer Mühle stammt, die noch mit Wasserkraft arbeitet. Brotklappe, Weimara

Mit dieser Kombination aus Hingabe, Zeit und hervorragenden Zutaten hat Lücke offensichtlich einen Nerv getroffen, denn obwohl seine Brote teuer sind (6-9 Euro), wächst sein Kundenstamm. Denn für Geschmack und Qualität sind viele Menschen heute wieder bereit mehr Geld auszugeben. Tatsächlich ist das Brot, das hier aus dem Ofen kommt, eines, das nach Kindheit und „guter alter Zeit“ schmeckt: Die Kruste ist knusprig, ohne fad oder angebrannt zu schmecken. Im Laib zeigen sich Luftlöcher, verschieden groß. Und es schmeckt. Nicht sauer, nicht trocken, sondern saftig und hat eine sanfte Süße, die es trägt. Allein schon dieser Duft ist voller als bei den üblichen „Wir backen jetzt auch im Supermarkt“-Shops. Und das, obwohl im Brot nur Mehl, Sauerteig, Salz und Wasser sind. Sauerteig ist übrigens auch in den Croissants enthalten…

Nicht nur Brote, sondern auch Franzbrötchen, Croissants und Pastais de Data entstehen in der Weimarer Backstube. Ich mochte das Müsli am liebsten, die Granola, die ich dort zum Frühstück gegessen habe. Und es stimmt: Ich habe noch nie so viel Geld für ein Frühstück ausgegeben – aber auch selten mit so einem Glücksgefühl im Magen meinen Frühstücksplatz verlassen.

Die Brotklappe befindet sich in der Trierer Str. 46, Tel. 03643 4150035. Sie ist dienstags und mittwochs geschlossen. Öffnungszeiten: Donnerstag-Sonntag 9-20 Uhr. Montags bis 22 Uhr, da gibt es ab 18 Uhr Pizza.

Du möchtest mehr über Weimar erfahren und brauchst mehr Tipps? Dann schau doch mal bei meinen anderen Artikeln vorbei: Übernachten in der alten Notenbank ist ein Tipp für eine besondere Unterkunft. Wer mit Familie anreist, könnte sich für meine 11 Tipps für Weimar mit Kindern interessieren. Du suchst gutes Frühstück und Brot in Weimar? Dann schau mal hier, dort habe ich über die Brotklappe geschrieben. Und wenn du dich für Goethe interessierst, begleite mich doch auf meinem philosophischen Spaziergang durch die Stadt.

Unterstützt wurde die Reise von den Appartements Goethezimmer. Danke dafür! Weil das Wohnen dort so großartig war, gibt es darüber bald einen eigenen Beitrag.

 

 

 

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28 Antworten

  1. Mensch, da lebe ich schon in Jena… aber das wusste ich nicht. Danke für den Tipp. Hoffentlich erinnere ich mich beim nächsten Weimar-Besuch daran, um das Brot kosten zu können…. ich liebe Sauerteig! ?
    Lg

  2. tja, mit dem Preis ist das ja immer so eine Sache… in diesem Falle wirklich teuer (zumal in einer Studentenstadt), aber ich finde es auch gerechtfertigt – leider.

  3. Danke für den Tipp! Solche Bäcker würde es auch hier im südlichen Niedersachsen brauchen, wo wirklich so gut wie alles verkettet ist. Ich esse deshalb gar kein Brot mehr, bzw nur in Ausnahmefällen, weil es mir einfach nicht schmeckt…

    Liebe Grüße,
    Heike

  4. Liebe Andrea, wieder ein sehr interessanter Beitrag, nicht nur (wie immer) toll geschrieben, sondern er bestärkt mich darin, selbst in weiteren Bereichen des Alltags noch bewusster und nachhaltiger „zu leben“. Für gutes Brot gebe ich mittlerweile auch gerne mehr aus.
    LG Ute

  5. Liebe Heike, da bin ich jetzt baff: Du magst auch kein Brot? Ich auch nicht. Ich kann es normalerweise nur widerwillig runterkriegen, aber das war ja das Besondere, in Weimar ging das super. Spannend, was man hier alles so liest.
    Liebe Grüße

  6. So schade, dass Weimar so weit entfernt ist. Ich hätte jetzt richtig Appetit auf das Brot. Ein sehr guter Beitrag über einen wunderbaren Bäcker. Bei uns ist leider alles verkettet, sodass ich mittlerweile oft selbst mein Brot backe mit Mehl von einer Mühle
    LG Andrea

  7. Liebe Andrea,
    ja, das finde ich auch: Weimar ist grundsätzlich einfach zu weit weg 🙂 Und ich hoffe ja, dass solche Beispiele Schule machen und sich ausbreiten wie ein neuer Trend. Das wäre doch total schön, oder?
    Liebe Grüße

  8. Ich liebe frisch gebackenes Brot. Und ich finde es toll, wenn es noch Bäcker gibt, die diesem Handwerk nachgehen, ohne Backmischung und Chemie. Dafür darf und sollte man etwas tiefer in die Tasche greifen.

    Ich hab das Glück, das ich in einem kleinen Dorf wohne, wo wöchentlich eine Gruppe von Frauen Sauerteigbrot und Weißbrot in einem steinernen Brotbackofen selber backen. Das ist für mich das köstlichste Brot.

    Danke für den tollen Artikel.

  9. Als ich Weimar besucht habe, bin ich über die Brotklappe gestolpert und bin dort eingekehrt, daß das Brot sowas von lecker schmeckt, kann ich nur bestätigen.

  10. Du scheinst wirklich Glück zu haben, denn sowas ist doch der Idealfall, gemeinsam backen und dann noch in einem Steinbackofen. Wunderschön klingt das. Ich finde es aber auch toll, wenn man nicht immer alles selbst machen muss und es kaufen kann, mit gutem Gefühl und Gewissen. Danke für deinen Kommentar übrigens

  11. Liebe Andrea,

    ich beneide dich um deine wundervolle „Broterfahrung“!

    Ich kann mich noch all zu gut an das Brot erinnern, welches in früheren Jahren noch angeboten wurde. Die Kruste, der Geschmack ist mit dem heutigen Brot gar nicht mehr zu vergleichen.
    Die Bäckereien verwenden heute fast nur noch fertige Backmischungen.

    Umso schöner finde ich das es wieder Bäcker gibt, die ihr Handwerk noch so ausüben wie es sein sollte. Gesunde und köstliche Backwaren herstellen!

    Lieben Gruß,
    Lilo, die gerade von einem leckeren Brot träumt.

  12. Nichts gegen den Bäcker in dewr Trierer Straße und sein Brot, Der Preis ist sicher gerechtfertigt. Wir backen seit 30 Jahren unser Brot. Immer Roggenvollkornbrot.. Sauerteig kann man immer wieder verwenden. Sollte mal vergessen worden etwas abzunehmen , muß man eben Sauerteig ansetzen , oder aber von einem Bäcker einen kaufen. Bioroggen kostet das Kilo 1,35 Euro, Wasser ,Gewürze
    und Stromkosten. Und siehe da ein Brot für 2-2,20 € ein Brotlaib
    Schnippelboy um die Ecke von der Brotklappe

  13. Ach, du wohnst da um die Ecke? Wie lustig. Dann weißt du ja um das Brot… ja, ich finde, jeder, der so eine schöne Idee und Initiative hat, um die Welt zu verändern, sollte auch den Wert dieser Sache bezahlt bekommen… ich backe mein Brot auch selbst, aber so bekomme ich es eben nicht hin, und das finde ich echt bewundernswert. Und dass man Sauerteig als Lebewesen ansieht, fand ich einen sehr guten Ansatz. Liebe Grüße nach Weimar und viel Spaß beim Backen weiterhin

  14. Danke für diesen tollen Beitrag.
    Ich finde diese Bäcker so unschätzbar wertvoll. Sehr traurig, dass diese wundervolle Backtradition so langsam aus der Bildfläche zu verschwinden scheint. Liegt es aber tatsächlich an den Arbeitszeiten? Ich vermute eher am Ertrag bzw. Gewinn. Denn wie kommt es sonst, dass selbst wenn eine Bäckerei noch selber backt, man heute dennoch keine Garantie mehr für natürliche Zutaten hat und zudem der Teig nicht mehr ausreichend lange ruht, wie das früher mal der Fall war. Kaum gerührt, soll es auch gleich in den Ofen. Da ist es doch auch kein Wunder, dass heute so viele über Glutenunverträglichkeit klagen.

    Früher gab es diese Bäcker an jeder Ecke und unsere Brote und Brötchen waren trotzdem erschwinglich. Warum klappte das früher, und warum ist das heute nicht mehr möglich? Und wenn man dann das Glück hat einen richtigen Bäcker um die Ecke zu haben, soll man für ein Laib Brot 6 Euro und aufwärts zahlen…? Hmmm…schön und gut, aber das ist nicht wenig…

  15. Liebe Amara, da hast du völlig recht, der Preis ist hoch und das Brot so lecker, dass es leider ratz fatz aufgegessen ist, von wegen, es hält sich eine Woche 🙂 man kommt ins Grübeln über die Preise der anderen Bäcker, vor allem in den Supermärkten und ja, es ist irgendwie etwas Anderes…
    Liebe Grüße

  16. Hallo! Wir haben unsere Bäckerei in Mihla- Thüringen.Backen unser Brot schon 100 Jahre mit Natursauer.Abends 2 Scheiben frisches Brot mit Butter.. köstlich.

  17. Liebe Susanna, das freut mich aber, toll, wenn es solche Betriebe noch gibt. Leider sterben sie ja mehr und mehr aus und Großbäckereien übernehmen. Das finde ich sehr, sehr schade. Vielen Dank fürs Vorbeischauen bei mir und viele Grüße

  18. In Erfurt gibt es die Bäckerei und Konditorei Lobenstein in dritter
    Generation. Das Brot ist einfach köstlich! Wir kaufen nichts anderes mehr. Die frischen Brötchen knusprig. Einfach das gesamte Angebot
    spitzenmäßig. Unsere Familie kauft seit mehr als 40 Jahren dort ein. Kann ich nur empfehlen. Und genau unsere PHilosophie.Frisches Brot
    mit Butter und etwas Salz, lecker.
    Viele Grüße aus Erfurt an alle Genießer

  19. es gibt in weimar noch andere gute bäcker, die nicht so überteuert sind. croissants oder zimtknuts in der Brotklappe sind gut, das brot selbst eher naja. der laden lebt vom hype, da kennt sich der gelernte chef scheinbar gut aus.

    und wie sieht’s denn mit den löhnen aus? sind die auch so hoch oder interessiert das die bourgeoise öko-bubble nicht?

    der Text liest sich wie bezahlte Werbung, die nicht gekennzeichnet wurde…

  20. Lieber Heinz, danke für deinen Kommentar. Zu den Löhnen kann ich dir leider nichts sagen, ich fand es nur einfach einen wundervollen Platz in Weimar und nehme mir die Freiheit, auf meinem Blog das zu empfehlen, was ich mag und als gut empfunden habe. Es tut mir Leid, dass dein Eindruck von Werbung erweckt wurde, denn das stimmt nicht. Werbung findet hier nicht statt, wenn ich eingeladen wurde, dann ist es selbstverständlich gekennzeichnet.

Wer schreibt hier?

Hallo! Ich bin Andrea Lammert. Als Wegreisende, Bücherschreibende und Bloggerin bin ich stets auf Achse.

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