Die kleine Oliveninsel Thassos wartet mit außergewöhnlichen Kraftplätzen auf. Einer davon ist die kleine Kirche auf dem Berg Metamorfosi. Ein wundervoller Ort, für eine Reise ins eigene Innere.
Oftmals finden sich Wege, wenn man einfach geht. Das passiert mir eigentlich immer auf Reisen, dass ich Plätze finde, die außergewöhnlich sind und einfach auf meinem Weg liegen. Ich stolpere sozusagen darüber. So wie auf Thassos. Eigentlich wollte ich nur einen Spaziergang von unserer Unterkunft in die Bergwiesen machen, als ich plötzlich das Schild sah: Metamorfosi. Ein Weg in die Berge. Zu einer kleinen Kapelle. Ein besonderer Weg mit großen Kräften. Doch eben nur, wenn man sich darauf einlässt.
Kleines Bergdorf Kallirachi
Kallirachi heißt das kleine Bergdorf, in dem der Weg startet. Ich hatte dort eine Ferienwohnung bei unglaublich netten Vermietern, die mich sogar in die Kunst des Olivenfermentierens eingewiesen haben. Kallirachi ist ein altes Bergbaudorf, eine Umgebung, die mich wohl schon aus der Ferne magisch angezogen hat. Normalerweise buche ich keine strandfernen Ferienwohnungen, hier war das anders.
Bergbautradition bedeutet mir viel, da ich mit vielen Bergleuten gemeinsam gearbeitet habe und sie kennenlernen durfte. Ein anderer Schlag Mensch einfach, der oftmals viel umsichtiger und sozialer ist und einen anderen Zusammenhalt lebt, als andere Menschen. Das spürt man auch in dem kleinen Ort, in dem sich die Menschen abends noch in der einfachen Taverne treffen, Backgammon spielen und gemeinsam lachen oder auch streiten, anstatt auf technischen Geräten herumzuwischen.
Oben auf dem Berg erfahre ich, dass Kallirachi zu den ältesten Siedlungen auf Thassos zählt. Es waren einst mit Wehrmauern umzäunte Häuser, die vor Angriffen der Piraten schützen sollten. Das Dorf damals hieß Kakirachi und ein Überbleibsel davon ist die alte Kirche, zu der der Metamorfosi-Weg führt.
Kallirachi also ist der Ausgangspunkt dieser Wanderung, für die man einen halben Tag einplanen sollte, Hinweg etwa eineinhalb Stunden, dort sein und denn noch den Rückweg finden.
Spirituelle Bedeutung des Wanderns
In engen Schlaufen windet sich der Weg den Berghang hinauf. Es geht aus den Olivenfeldern weiter und höher in die Bergbereiche, deren spärlicher Bewuchs Weite und Panorama verspricht. Ab und an findet sich ein kleiner Hof am Wegesrand und immer begleitet das Läuten der Glocken der Schafe die Wanderung.
Beim Gehen und Wandern kommt nicht nur der Körper in Bewegung, sondern auch der Geist. Das empfinde ich jedenfalls immer so. Am besten geht das allein, da man dann nicht spricht, sondern ganz seinem inneren Dialog folgt. Genau das tue ich und höre die Botschaften, die Landschaft, Weite, aber auch aufpoppende Erinnerungen in meinem Inneren mir senden. Fast während des ganzen Weges denke ich über Metamorphosen nach. Was bedeuten sie und wo finden wir sie im Leben?
Die Metamorphose und die Mythologie
Metamorphosen haben hohe mystische Bedeutung. Wenn man es genau betrachtet, ist unser gesamtes Leben eine Metamorphose, denn nie bleibt etwas wie es war, wir verändern uns andauernd. Das Baby krabbelt sich ins Kleinkindalter, wird Schulkind, irgendwann junger Mann oder junge Frau, wird vielleicht selbst Kinder haben und so weiter. Wir verändern uns täglich, ohne, dass wir es wahrnehmen. Allerdings gibt es Zeiten im Leben, in denen wir diese Änderungen sehr wohl wahrnehmen, aber nicht wahrhaben wollen. Wo wir uns verweigern, vielleicht dem Älterwerden, vielleicht aber auch dem, Altes gehen zu lassen. Dann möchten wir stehen bleiben, festhalten, was wir haben, anstatt uns der Veränderung hinzugeben.
Doch genau das ist nicht möglich. Man kann im Leben nichts festhalten, alles geht irgendwann, sogar das Leben selbst. Genau deswegen ist es wichtig, sich eine Pause zu nehmen und sich seinen Ängsten und Zweifeln zu stellen, um dann wieder neuen Mutes voranzuschreiten. Vielleicht gilt es auch, den Geist neu auszurichten und sich nicht immer am Verstand zu orientieren, sondern im Fühlen zu bleiben.
So ist eine Metamorphose im mystischen Sinne immer ein Erwachen der Seele, die ihren Weg zum Ursprung sucht, einem Platz, an dem es kein Haben-Wollen, kein Meins und Deins und kein Besser und Schlechter gibt, sondern die Dinge einfach nur sind und angenommen werden, wie sie sind.
Sinnbild für Veränderung
Das berühmteste Beispiel der Metamorphose ist gleichzeitig ein schönes Sinnbild: Der Schmetterling, der von der kriechenden Raupe zur fliegenden Schönheit wird. Das allerdings kann er nur, wenn er sich Zeit nimmt, um sich in seinem Kokon zu verpuppen, ganz tief in sich versenkt und seine Vitalkräfte sammelt, um sich dann der Schönheit des Lebens voll hinzugeben, wenn er die Flügel ausbreitet. In dem Moment lässt er auch alle Begrenzungen hinter sich, ebenso wie alles Alte.
Mit Gedanken wie diesen steige ich den Berg weiter herauf und genieße einfach nur die Schönheit und die Zeit für mich, die ich mir an diesem Morgen genommen habe. Manchmal ist der Anstieg steil und ich komme ins Schnaufen, manchmal ist der Weg fast plan und grade.
Auf dem Berg angekommen
Während der Weg schon wunderschön war, voller Ausblicke, Kiefernduft und dem trockenen Geraschel der Disteln, bin ich baff erstaunt, was mich oben erwartet. Die Wolken hängen tief, der Berg gleicht einem kleinen Zuckerhut. Und genau dort oben steht eine kleine, weiße Kapelle. Ich weiß auch nicht, warum es so ist, aber grade diese kleinen Kapellen strahlen eine unglaubliche Geborgenheit und Verbundenheit aus.
Für mich sind sie wie kleine Antennen in den Himmel. Leicht aber macht die Kapelle es ihrem Besucher nicht, denn man muss erst einen steilen Hang hinaufklettern, bevor man ihre Tür öffnen kann. Ikonen schmücken den einfachen Raum.
Die Kapelle und der Prophet Ilias
Die heilige Metamorfosi-Kapelle ist dem Prophet Ilias gewidmet. Sie liegt auf einer Höhe von 330 Metern und es wird gesagt, dass Lukas von Christopolin sie im Jahre 1299 errichtet hat. Seit mehr als 700 Jahren also spendet dieses Gebäude den Menschen Zuflucht und Trost. Etwas, das die alten Mauern aufgesogen haben und kraftvoll an ihre Besucher weitergeben.
Ich bleibe lange dort oben auf dem Berg, bin ganz allein und denke über meine ganz persönlichen Metamorphosen nach. Was ändert sich in mir grade? Bin versunken in den Blick und in meine Gedanken und erhalte manche Einsichten, die mir ohne diese Wanderung sicher verborgen geblieben wären.
Als ich wieder unten bei meiner Familie bin, bin ich eine andere. Ich fühle mich leichter und freier von schweren Gedanken und Lasten. Und beschließe nicht nur, ein zweites Mal hochzuwandern, sondern meinen Teenagerjungen ebenso dort hochzuschicken, denn er steckt ja auch mitten in einer großen Umwandlung.
Thassos
Thassos ist Griechenlands nördlichste Insel, sie liegt östlich von Thessaloniki. Der nächste Flughafen ist Kavala, von dort geht es mit der Fähre auf die Insel.
Nachtrag: Ich habe lange überlegt, ob ich über diesen Zauberort schreiben soll, denn in dem Öffentlichmachen liegt auch immer die Gefahr, dass dieser Platz seinen ursprünglichen Zauber verliert. Doch ich glaube, dass er viel zu verwunschen liegt, nicht instagramable genug ist und sowieso verirren sich grade nicht so viele Menschen in das Binnenland von Thassos.
Du hast Lust auf Thassos bekommen und möchtest mehr darüber lesen? Hier nehme ich dich mit zur wundervollen Träne der Aphrodite und hier zum Marmorstand.
7 Antworten
Ich war 2004 mal eine Woche dort, mit meiner damaligen Freundin. Es war ein Geheimtipp. Erinnere mich nur noch an die Überfahrt von Kavala aus und an Kombolois, die mich faszinierten.
tja mein Griechenland ! Schade dass es dieses Jahr nicht geklappt hat
Natur pur und einsam über dass was du hier geschrieben hast. Einfach eine andere Welt ohne Hotels und Strände die man sonst von Griechenland kennt !!! Ich verbrachte dieses Jahr meinen Urlaub in Österreich am Wörthersee und das war auch sehr schön und vorallem entspannt. In 3 Wochen geht es an den Bodensee !!
Liebe Andrea,
das ist wieder ein wundervoller Bericht von dir. Mit sehr viel Liebe geschrieben.
Deine Gedanken und Gefühle sind voll auf mich übergesprungen.
Ich danke dir für diesen Einblick in eine völlig andere Welt.
Sei ganz herzlich gegrüßt,
Lilo
Lieber Manni, ja, das dachte ich auch: Ach Griechenland. Ich könnte schon wieder hin, aber Reisen momentan ist alles andere als spaßig und fliegen möchte ich sowieso grade nicht. Deswegen schwelge ich mal in Erinnerungen. Deine Reiseziele sind aber auch toll. Ich habe grade das französische Jura für mich entdeckt, weiß aber noch nicht, ob ich den Schatz hier im Blog verraten soll. Liebe Grüße
Oh, da biste ja wieder! Hallo Lilo, dankeschön, das freut mich aber sehr! Liebe Grüße
Das ist schade, dass die Erinnerungen gelöscht sind, vielleicht stöberst du sie wieder frei mit den Fotos auf meinem Blog? Und ja, die griechischen Gebetsketten sind großartig! Viele Grüße
Andrea ich habe deine tollen Berichte immer verfolgt und bewundert.
Aber erst jetzt habe ich entdeckt wie ich dir auch schreiben kann. Keine Ahnung warum das vorher nicht ging.
Noch einen lieben Gruß von mir zu dir,
Lilo