Nirgendwo kommt man Meister Eckhart näher als in Erfurt. In der Predigerkirche hat er viele Jahre lang gewirkt und es scheint, als sei bis heute etwas von ihm an diesem Ort geblieben. Ich habe einen Tag mit Meister Eckhart in Erfurt verbracht.
Er hat kluge Sachen gesagt, dieser Meister Eckhart. Ich mag seine Gedanken sehr, vor allem eines seiner „Gedichte“ kommt mir fast täglich ins Bewusstsein:
„Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige. Immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenübersteht. Immer ist die wichtigste Tat die Liebe.“
Wenn ich daran denke, kommen mir automatisch Bilder aus Erfurt in den Sinn, denn dort hängt dieses Zitat, das für mich zu den schönsten überhaupt zählt, an einer Hausfassade. Gedichte an Fassaden gibt es viele.
Doch dieses ist eben nicht einfach so auf die Fassade gesprüht, sondern präsentiert sich in besonderer Form: Es wurde auf Holzblumenkästen aufgetragen, jeder Blumenkästen trägt einige Wörter, darüber wuchern Kakteen aus den Kasten. Kakteen? Ja, denn Erfurt hat zuden auch die älteste Kakteengärtnerei Europas. Doch darüber will ich heute nicht schreiben, sondern über Meister Eckhart in Erfurt, der einen Großteil seines Lebens in dieser Stadt gewirkt hat. Nicht durch Zufall also findet sich einer seiner berühmtesten Aphorismen auf den Blumenkästen dieser Erfurter Fassade in der Barfüßerstraße.
Es bleibt nicht der einzige Meister-Eckhart-Platz in der Stadt, denn Meister Eckhart hat in Erfurt lange gewirkt. Von diesem Haus sind es nur wenige Meter, einmal über die Gera, bis zur Predigerkirche. Der westliche Eingang zum Gotteshaus ist zwar von einem Spruch geprägt, aber dieser stammt aus der Bibel und nicht von Meister Eckhart.
„Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst“ steht dort in Prägelettern, die Passage aus dem Johannesevangelium soll wegweisend für die Gedanken des Priesterns gewesen sein. Mich sprechen diese Zeilen nicht so sehr an, wie die, die im Inneren der Predigerkirche zu finden sind.
„Je freier wir von uns selbst sind, umso mehr gewinnen wir uns.“
Ein Satz wie ein Suchtmittel. Ich kann gar nicht aufhören, darüber nachzudenken, was er wohl genau meint.
Mir fallen viele Interpretationen ein, ich drehe und wende ihn in meinem Kopf und genieße dieses Herumphilosophieren. Auch die anderen sechs Sprüche, die hier wie Stolperbänder als Sprüche in den Boden eingelassen sind, haben nicht weniger Tiefe: „Nimm dich selber wahr, und wo du dich findest, da lass dich“ steht dort.
Mit dem Kopf voller Fragen trete ich aus der Kirche hinaus. Gegenüber befindet sich das Café Klara Grün, hier kann man den Kaffee mit auf die andere Straßenseite nehmen und mit seinem Sitzkissen auf der Mauer des Klosters hocken und dem Mystiker noch ein wenig nahe sein. Oder man hat Glück und erwischt einen schönen Moment auf der Predigerwiese, einem kleinen Stück Grün hinter der Kirche, das direkt an der Gera liegt. Hier lässt es sich prima nachsinnen über die Dinge, die Meister Eckhard in Erfurt gesagt hat. Wieder so ein Platz, an dem ich gerne ein Buch vom Menschen dabei hätte, der einst hier gelebt hat. So ist es mir schon in Weimar mit Goethe gegangen und jetzt Meister Eckhart in Erfurt. Viele seiner Zitate fallen mir auch so ein, wie etwa: „Willst du den Kern haben, so mußt du die Schale zerbrechen“ oder „Wir selbst sind die Ursache aller unserer Hindernisse“. Warum habe ich eigentlich bis heute kein Eckhart-Buch, frage ich mich. Und komme immer wieder auf meinen Lieblingsspruch.
„Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige. Immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenübersteht. Immer ist die wichtigste Tat die Liebe.“
Die Worte sind fast 700 Jahre alt – und aktueller als je zuvor. Wenn ich durch die Straßen gehe, sehe ich Menschen, die eben nicht den Menschen als den wichtigsten ansehen, der gerade vor ihnen steht, sondern irgendetwas Fernes, Virtuelles. Und wie oft ertappe ich mich, mich per Whats App mit Menschen ganz weit weg zu verbinden anstatt mit denen, die mich jetzt gerade umgeben? Die großen Meister predigen irgendwie alle, dass es das Jetzt sei, das wichtig sei. Ein Gedanke, der wieder ganz modern ist. Aber den man kaum schöner formulieren könnte, als Meister Eckhart es vor 700 Jahren getan hat.
Er wird sogar ohne Buch irgendwie bei mir bleiben, mit seinen Worten. Mit dem „Immer ist die wichtigste Stunde…“ sowieso. Aber auch mit dem „Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen“. Diese Worte haben eine ganz eigene Magie, fast wie kleine Zaubersprüche. Eine Magie, die sich noch viel mehr offenbart, wenn man einmal in Erfurt am selben Platz steht wie der Prediger einst.
Du möchtest noch mehr Tipps für Erfurt bekommen? Dann schau doch mal hier, dort habe ich über essen, wohnen und schlemmen in der thüringischen Hauptstadt geschrieben. Und hier bin habe ich noch mal 11 Tipps zusammengestellt. Die Krämerbrücke hat mich so begeistert, dass sie einen eigenen Artikel bei mir bekommen hat. Auf den Spuren von Schriftsteller lässt sich auch durch Bamberg wandern, das beschreibt Ilona vom Blog wandernd.
13 Antworten
macht neugierig
Danke!
Danke für die Tipps. Bin im Sommer wieder in Erfurt. Von Meister Eckhart ist Erfurt hatte ich noch nichts gehört. Jetzt bin ich neugierig geworden. Nach Erfurt sollte man sowieso öfters fahren. Mir gefällt es dort sehr sehr gut!!!
Liebe Grüße von
Gisela
Von Meister Eckhard in Erfurt habe ich noch nie gehört. Du machst mich neugierig auf die Stadt
LG Andrea
Liebe Andrea, das freut mich sehr. Ich kann die Stadt nur empfehlen.
Liebe Grüße
Liebe Gisela, dann steht ja wohl die Predigerkirche an – ich finde es dort wirklich einnmalig mit der Stimmung und dem, was Eckhart hinterlassen hat. Ich hoffe, du erwischt einen wundervollen Tag dort. Liebe Grüße
Wie schön, dass Du diesem Mann diesen Post gewidmet hast. Ich finde seine Predigten umwerfend. Eine Weisheit, wie man sie heute nicht mehr findet. Bis zu seinem Tod hat er mit dieser scheinheiligen Kirche gekämpft, die auf mehreren hundert Milliarden Euro sitzt, während viele Kinder auf der Welt Hungers sterben.
Danke und liebe Grüße,
Johannes
Lieber Johannes, danke fürs Vorbeischauen bei mir, das freut mich sehr. Ich finde Meister Eckhart auch unglaublich. So wahr und tief. Tja, die Sache mit der Kirche ist wieder etwas Anderes. Ich bin auch nicht so der Fan von solchen Institutionen und auch Religionen, die dem Menschen sagen, was er zu tun und zu lassen hat und dabei eigentlich nur Kampf, Gegeneinander und Dualität säen. Aber das ist ja nochmal ein ganz anderes Thema. Liebe Grüße und lieben Dank für die Worte!
Ich mag den Vers “Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst” sehr, weil er vertrauen lässt und Hoffnung schenkt. Schön, dass der Vers dem Theologen gewidmet ist!
Liebe Christina, das ist schön, das zu lesen. Ja, Hoffnung ist auch wichtig.
Liebe Grüße
Erfurt ist einfach schön, nur als Fußballfan bin ich traurig, was da so abläuft, mir geht es gut, das hoffe ich von dir auch, Klaus
Lieber Klaus, ja, die Sache mit dem Fußball 🙁 aber Erfurts Schönheit tut das keinen Abbruch und ja, mir geht es gut, danke der lieben Nachfrage.
Liebe Andrea,
das sind wirklich sehr schöne Bilder und ein wunderbar erklärender Bericht dazu.
Vieles kenne ich schon von Hörensagen und auch von den Blogs, die Manfred (Männe) über Erfurt macht. Mal sehen vielleicht raffe ich mich doch mal zu einem Besuch dort auf.
Liebe Grüße,
Lilo