Zwischen Hannover und Hameln erstrecken sich die Ausläufer des Weserberglandes. Die leicht hügelige Landschaft wird auch als Toskana des Nordens bezeichnet. Ein Vergleich, der gar nicht so hinkt.
Was ist das Calenberger Land?
Warum habe ich eigentlich noch nie über meine Heimat geschrieben? Als ich neu in Hannover war, habe ich immer den Begriff Calenberger Land gelesen – und konnte damit nichts anfangen. Viele setzten voraus, dass man weiß, wo es ist. Ich wusste es nicht. Dabei ist es ganz einfach: Das Calenberger Land erstreckt sich um die alte Burg Calenberg, von der bloß noch eine Ruine geblieben ist. Sie lag in Sichtweite der heutigen Marienburg. Insgesamt bezeichnet die Hannoveraner den Landstrich zwischen der Südgrenze Hannovers und Hameln als Calenberger Land. Es erstreckt vom Fuße des Höhenzugs Deister bis zur Leineaue. Kennzeichen des Calenberger Landes sind die fruchtbaren, aber schweren Lehmböden, die den Bauern einst reiche Ernte bescherten.
Toskana des Nordens
Burgen, Seen und sogar Hügel, die wir Berge nennen, all das haben wir hier im Calenberger Land. Doch das, was ich am schönsten finde, ist diese einzigartige Landschaftsform. Vielleicht ist der Vergleich mit der Toskana gar nicht so abwegig, denn wir haben eine Menge gemeinsam.
Wir können zwar nicht mit Florenz und Pisa oder Sienna aufwarten, aber Hameln und Hildesheim in der Nähe sind auch nicht schlecht. Wir haben kegelförmige Bäume, die in langen Reihen die Felder überziehen. Und wenn sich der Herbstnebel über das Land legt, erinnert es schon stellenweise an die Toskana. Vor allem im Morgendunst, wenn die ersten Sonnenstrahlen sich im Nebel so sanft brechen. Vereinzelte Landgüter, die versteckt unter Bäumen liegen, das können wir hier oben auch.
Schnaps und Benimm statt Wein
Bei uns wird kein Wein produziert, dafür aber Schnaps oder Mistellikör. Und von hier stammen die Manieren, denn im Calenberger Land sitzen wir in der Wiege des guten Benehmens. Keine geringere Familie als die Knigges (ja, genau die mit den Benimmregeln) stammt von hier. In Bredenbeck haben sie heute einen ihrer Stammsitze und noch immer die letzte Ruhestätte für ihre Ahnen. Der eindrucksvolle, alte Friedhof lässt sich im Deister besichtigen. Gleich nebenan in Steinkrug befindet sich übrigens eine alte Glashütte (natürlich einst im Besitz der Knigges gewesen), eine der ältesten, erhaltenen Deutschlands. Noch heute sammeln Kinder am Fuße der Glashütte viele bunte Scherben in Blau, Grün oder Braun. Doch ich schweife ab.
Italienische Momente
Früher mochte man ja meckern können über unser verregnetes Klima, doch inzwischen ist es ganz schön italienisch hier: Trocken, die Grillen zirpen fleißig und sogar die Wiesen sind erblondet wie die Haare nach einem Urlaub im Süden. Dem Klimawandel sei dank, bekommen wir hier mehr und mehr italienische Momente.
Mentalitätsfragen
Ich habe lange gezögert, ob ich überhaupt über meine Heimat schreiben soll, denn eigentlich verrate ich nicht gerne meine geheimsten Lieblingsstellen. Andererseits ärgere ich mich ständig. Ich komme viel herum, ob in der Emilia Romagna, in Östereich oder in Bayern. Und ich bin mir sicher: Im Süden hätten sie viel mehr aus diesem Landstrich gemacht als wir hier im südlichen Norden.
Vielleicht liegt es an der Mentalität, dass man nicht angeben mag, mit dem, was man hat. Vielleicht aber haben die NIedersachsen auch keinen Blick dafür? Vielleicht sind sie aber auch viel zu erdverwachsen, um sich dem Tourismus etwas zu öffnen. Das merke ich auch immer wieder im Harz, in Sachsen-Anhalt ist der Tourismus viel pfiffiger als im niedersächsischen Teil.
Eisläden und Biergärten?
So ist es auch bei uns im Calenberger Land. Was hätten wir für Möglichkeiten, über uns hinaus zu wachsen! Dem Trend zu Mikroabenteuern, zu Waldbaden oder zum Wandern zu folgen und mit der Ursprünglichkeit und Unberührtheit zu punkten. Doch irgendwie will das hier wohl niemand. So bleiben viele Dinge ein ewiger Geheimtipp. Und ohne Infrastruktruren kommt kein Tourist. Wenn im Dorf mit dem schönsten Panoramablick in der ganzen Region Hannover noch nicht mal ein Eisladen, geschweige denn ein Café zu finden ist, dann spricht das doch Bände. In Bayern hätten sie in ein solches Dorf schon längst zwei Biergärten mit Bella Vista hingesetzt. Hier pflanzen wir eher Windräder in die Landschaft, deren Wirkung auf die Umwelt ich sehr zweifelhaft finde. Überhaupt Eiscafés sind hier viel zu weit gestreut und leider Mangelware.
Zuckerrübenschlote
Irgendwie kommen sie hier nicht in die Pötte mit der Vermarktung unserer Region. Sei froh, werden diejenigen sagen, die aus touristischen Regionen kommen, dann hast du die Schätze für dich. Nein, muss ich sagen, das bin ich nicht. Denn ich weiß, dass eine Förderung des Tourismus auch gleichzeitig ein Streben des Bewahrens der Natur ist. Denn die ist es ja, die die Menschen erleben wollen. Ein Ja zum Tourismus ist meistens auch gleichzeitig ein Nein zu fetter, verarbeitender Industrie, denn beides verträgt sich nicht. Und Industrie haben wir hier im Calenberger Land eher wenig. Und wenn, dann aber gleich richtig ungünstig. So liegt mitten in der Blickachse unserer allergrößten und wichtigsten Sehenswürdigkeit der dampfende Schlot der Zuckerrübenfabrik. Stört etwas die Träume von Unberührtheit. Und dennoch haben wir hier eine Menge Schönheit zu bieten, die darauf wartet, entdeckt zu werden.
Sehenswürdigkeiten & Top Tipps
Marienburg
Die Bayern können vielleicht Neuschwanstein, aber wir haben es irgendwie erfunden. Norddeutsch bescheiden lassen wir den Bayern aber ihre Busladungen in Neuschwanstein. Das ist nicht immer gut, denn unser Neuschwanstein des Nordens ist jetzt in großer Not, da hat auch der Ausverkauf des Tafelsilbers der Welfen nicht viel geholfen, das Schloss braucht eine umfassende Kernsanierung.
Burg Calenberg
Einst gab es hier eine Burg Calenberg, sie wurde im späten 13. Jahrhundert in Schulenburg errichtet und 300 Jahre später im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Heute sind nur noch Gewölbe und Wälle geblieben.
Sennhütten und Almen
Ja, wir hier im Norden können auch Almen: Die Sennhütte im kleinen Deister ist so ein Platz, es gibt aber auch noch die Mooshütte und sogar die Deisteralm. Dort war ich so oft, dass ich noch nicht mal Fotos gemacht habe, weil es so selbstverständlich für mich ist.
Wandern im Calenberger Land
Unser Landstrich ist perfekt zum Wandern, doch das weiß kaum jemand. Nur ab und ab kommen mit Rucksack beschulterte Menschen durch mein Dorf, offensichtlich auf Wanderungen. Ansonsten gehören die Wege eher Spaziergängern. Eigentlich schade. Denn von hier aus ist der Kammweg des Deisters immer schnell erreicht und Hannovers Innenstadt auch nur eine Tagestour entfernt. Mit einigen Etappen könnte man auch den Harz schaffen und das Weserbergland, an dessen nördlichen Ausläufern wir sitzen, ist zu Fuß ebenso gut erreichbar wie mit der S-Bahn, die direkt nach Hameln fährt. Man kann entlang der Erbeerfelder wandern, kommt immer wieder auf Hügelkuppen mit wunderbarer Aussicht und erreicht kleine Orte, in denen die Zeit 50 Jahre stehen geblieben scheint.
Biber statt Badeseen
Andere Regionen richten Badeseen für ihre Menschen ein, wir lassen den Anglern und Bibern unsere Fischteiche. Tatsächlich gibt es Biber in der Leineaue, es ist spannend, dort spazieren zu gehen. Auch Fischreiher und Seidenreiher lassen sich dort gut beobachten, denn im Süden Hannovers reihen sich die Teiche und Seen wie Perlen auf einer Schnur. Nur weiß kaum jemand um unseren Wasservorteil. Gut für die Natur, aber könnte man da nicht eine andere Lösung finden? Wir haben tatsächlich genúg Seen, um zwei, drei vielleicht noch dem Tourismus zu öffnen. Dann müssten wir nicht so häufig ans Meer fahren und könnten unsere Klimabillanz schonen.
Grade im Sommer ist es schade, dann wir, obwohl wir so viel Wasser haben in unserer Region, gibt es zu wenig Möglichkeiten zum Baden. Da gäbe es doch sicher einen Kompromiss, den einen oder anderen See fürs Schwimmen zu öffnen, anstatt überall nur Schilder aufzustellen, dass dieses Gebiet den Anglern vorbehalten ist. Hannoversche Seenplatte, wäre das nicht etwas? Oder gar Calenberger Seenplatte! Aber wenn, dann bitte nicht so wie am Giftener See, der von zwei Bahnlinien flankiert und damit sehr laut ist. Wasser ist genug da, es könnte auch schön gemacht werden zum Naherholen!
Kloster Wülfinghausen
Es ist ein bezaubernder Ort der Stille: Kloster Wülfinghausen gehört zu den schönsten spirituellen Orten unserer Gegend. Es liegt am Fuße des Kleinen Deisters und hat einen bezaubernden Garten. Wülfinghausen ist eines der fünf Calenberger Klöster. Ganz bekannt ist das Kloster in Wennigsen, das das Ortsbild dominiert, zudem gehören noch Klöster in Barsinghausen und in Mariensee und Marienwerder zu dem Quintett.
Freilichtbühne
Grade ist sie wegen Corona außer Gefecht gesetzt. Doch zu den schönsten Erlebnissen bei uns gehört ein Besuch der Deisterbühne in Barsinghausen, es ist eine wunderschöne Open-Air-Bühne, die Schauspiel für Erwachsene und Kinder zeigt. Ich habe dort das Musical Mulan gesehen und war hingerissen.
Wasserbüffel und Vogelbeobachtung
Wer braucht schon Afrika, wenn er Wasserbüffel hat? Vor Weetzen wohnt eine Herde Wasserbüffel als Landschaftsschutzmaßnahme. Wo sie sind, entstehen kleine Pfützen in der Landschaft, in denen Tiere wie Molche und Co eine Zuflucht finden, aber auch der Storch, der auf dem Gelände brütet, liebt diese pfützenreiche Gegend. In der Leineaue gibt es noch viel mehr Möglichkeiten zur Vogelbeobachtung.
Erdbeer- und Apfelland
Das Calenberger Land ist Hannovers Obstkammer. Hier wachsen Apfelbäume dicht an dicht, Himbeersträucher duften und dann diese Erdbeerfelder soweit das Auge reicht. Wir haben zwar keine Weinberge, aber ich finde, Erbeerfelder können es mit denen glatt aufnehmen, oder?
Einkehrtipps im Calenberger Land
Wenn ich aus anderen, touristischen Gebieten komme, finde ich immer, dass wir hier in der kulinarischen Diaspora wohnen. Es ist mehr zweckmäßig als trendig und schön – zumindest in der Mehrzahl der Fälle. Doch es gibt auch andere Entwicklungen und einige schöne Orte. Allerdings: Eine tolle Eisdiele habe ich noch immer nicht gefunden. Dafür aber Orte, in denen man gut sitzen kann. Es sind zumeist Cafés, wirklich gute Restaurants fehlen mir hier tatsächlich. Es ist alles ok, aber nicht herausragend. Meine Restaurants-Tipps für das Calenberger Land:
Café Webstuhl
Den Wald um dieses Café herum liebe ich, da sind meine Kinder in den Kindergarten gegangen. Das Café ist eher etwas schicker und ein Ausflugsort für die ältere Generation, was ich gar nicht verstehe. Der schöne Garten mit den Hecken und die wunderbaren Kuchen eignen sich auch für Jüngere. Ein Geheimtipp ist es nicht mehr, sondern an den Wochenenden oft gerammelt voll.
Café-Scheune Mittelrode
Es so schöner Ort, in dem antiker Krimskrams gesammelt wird: Plüschige Sofas stehen herum, alte Kaffeekannen und zwischendrin knarzen die Balken der alten Scheune. Der Kuchen ist himmlisch hausgemacht und im Sommer gibt es einen wunderbaren Garten.
Gehrdener Berggasthaus
Das Gehrdener Berggasthaus ist mein persönliches Highlight in unserer Gegend: Wirklich wunderbares Essen in Top-Qualität. Auch die Lage stimmt, denn es liegt wieder einmal mitten auf einem schönen Hügel, umgeben von einem Zauberwald und wunderbaren Ausblicken.
Shinebar
Unglaublich schön gelegen ist auch die Shinebar in Hemmingen, sie befindet sich direkt am Badesee. Dort gibt es keine ausgefeilte Spezialitätenküche, aber es doch auch warme Speisen. Man sitzt dort prima und lässt den Blick aufs Wasser schweifen.
Kückenmühle
Pizza essen? Kückenmühle! Auch wenn es oft so lange dauert, bis das Essen dann auf dem Tisch steht und und und – auch diesen Platz mag ich, für mich gehört die Atmosphäre einfach auch zum Essen dazu.
12 Antworten
Ja, die Niedersachsen sind recht genügsam und haben nicht so den Sinn für die schönen Dinge (oder für das Vermarkten), denke ich auch immer wieder 😉 Dabei gibt es so schöne Landstriche und vom Calenberger Land habe ich tatsächlich auch noch nichts gehört, obwohl es nicht weit von uns ist. Im Weserbergland waren wir allerdings in letzter Zeit gleich zwei Mal (Solling und Ith), um unser neues Dachzelt zu testen. Wir dachten uns, dass es dort derzeit nicht so überlaufen ist, wie im Harz oder an der Küste. Was soll ich sagen? Wir lagen richtig: Ruhe und Einsamkeit (und schöne Landschaft) so viel wir wollten! Auf dem Rückweg aus dem Ith haben wir uns noch die Marienburg angeschaut, also war ich sogar schon mal im Calenberger Land ohne es zu wissen 😉
Liebe Grüße aus Braunschweig! Andrea
Schöner Text und tolle Bilder, vielen Dank!
sehr schöner Beitrag und ist ja wirklich eine tolle Landschaft die viele Vergleiche hat wie der Titel ja schon sagt = Toskana !!!!
Auch die Burg lässt sich gut mit Neuschwanstein vergleichen !!!
Schöne Momente !!!
Danke, lieber Manni! Und schön, dass du mal wieder vorbeigeschaut hast.
Dankescheön, das freut mich sehr
Liebe Andrea, ja, nachdem du neulich über meinen Lieblingssee gebloggt hast und sowieso: Wir sollten das mal forcieren, dass du den Weg wieder herfindest. Liebe Grüße
Wir haben uns anscheinend aus den Augen verloren !!
Warum ? keine Ahnung ! Habe seit Monaten nichts mehr von dir gehört und ich dachte das war s dann wohl !
Ja, lieber Manni, jetzt weiß ich auch, warum. Ich kann bei dir nicht mehr kommentieren, ohne WordPress zu benutzen, er will ständig, dass ich mich einlogge. Ich habe aber mein PW verkramt und logge mich auch nicht mehr bei WP ein, was nun? Wie kann ich denn jetzt kommentieren bei dir? Liebe Grüße
Ich habe einen Eisdielentipp: Eis Blume in Schulenburg. Quasi auf dem Weg zur Marienburg direkt an der Hauptstraße gelegen. Dann die Eisdiele in der Pattenser Altstadt (übrigens die Altstadt ist gerade Denkmalgerecht saniert) und das softeis beim dänischen Bistro auch in Pattensen-Mitte.
Sowie an der Hauptstraße in Wennigsen das Eiscafé auf dem Weg zum Waldkater.
Hallo ich weiß es leider auch nicht ! Problem wird sein dass hier nichts mehr übereinstimmt. Ich bekomme zwar einen Hinweise über einen neuen Beitrag bei dir, aber das war es dann auch schon !
Ich bekomme z. B. auch keine Nachricht dass du wie jetzt in diesem Fall kommentiert hast ( also deine Rückantwort ). Ich muss immer in deinen Beitrag um zu schauen ob du eine Antwort geschrieben hast. Im Prinzip müsstest du über Google auf meine Webside und dort nach Beiträgen schauen und dann könntest du kommentieren. Sehe ich ein, wäre schon ein Aufwand ! LG Manni
Ein wunderschöner Beitrag über deine Heimat und das Calenberger Land. Deine Fotos zeigen tolle Landschaften, die tatsächlich mit der Toskana zu vergleichen sind. Die Mohnblumen Felder und Malven Felder sowie die Birkenalleen sind fantastisch
Lg Andrea
Heute morgen habe ich an meinen Geburtsort Schulenburg/Leine im Calenberger Land gedacht. Viele kennen diese wunderschöne Gegend nicht. Ich wollte im Internet nach Infos schauen und fand diesen wunderbaren Artikel. Da triggerten die Erinnerungen nur so. Der schöne alte Friedhof, die alte Domäne, die Marienburg, Spaziergänge in den Leineauen, die sanfte wellige Landschaft. Laubwälder und Felder bis zum Horizont. Ich wohne schon sehr lange in einem anderen Bundesland. Vielleicht wäre 2021 eine Fahrradtour durchs Calenberger Land möglich. Da werde ich mal drüber nachdenken. Liebe Grüße von Sabine