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Paris, der Eiffelturm und wenn die Angst Zäune baut

Paris unterm Eiffelturm mit Sicherheitsschleuse
Inhaltsverzeichnis

Zwei Jahre ist der Terroranschlag in Paris jetzt her. Er hat mich damals richtig getroffen, es war so dicht und plötzlich so nah. Lange habe ich gezögert, in die französische Hauptstadt zu reisen. Als ich es jetzt doch gemacht habe, habe ich eine veränderte Stadt vorgefunden.

Unter dem Eiffelturm stehen – das war für mich immer auch ein Sinnbild für sich frei fühlen, weit blicken und Blick und Gedanken in den Himmel schweben zu lassen. Vorbei an den Eisengestängen, ganz ins Blaue. Nachdenken über Technik, menschlichen Größenwahn und das ewige Sich-Beweisen-Müssen, aber gleichzeitig auch ein Platz der Kunst und Kreativität . Der Eiffelturm, ja er war für mich immer ein Sinnbild, wieviel Großes Menschen erschaffen können, welche Wunder und Einzigartigkeit. Was für ein Platz.

Paris unterm Eiffelturm mit Sicherheitsschleuse

Es war immer auch ein Ort der Kraft, direkt unter einem der berühmtesten Gebäude der Welt zu stehen, oft habe ich dieses Kribbeln im Rückgrat gefühlt, wenn ich dort gestanden habe. Nein, nicht vor dem Eiffelturm, sondern in dem Quaree direkt unter der Spitze. Nein, auch nicht oben, sondern unten. Fromme Menschen würden es vielleicht als Antenne zu Gott bezeichnen. Ich habe es einfach nur genossen, dort zu sein und kam jedes Mal aufgeladen zurück.

Als ich jetzt mit meiner Tochter ganz unbefangen und wie früher dort hin wollte, war ich erstaunt, denn der Eiffelturm war ringsum mit einem Bauzaun abgeriegelt. Wir konnten uns nicht einfach unter den Turm stellen, sondern mussten uns erst orientieren, wie wir dorthin kamen. Es schien nur eine Möglichkeit zu geben: Hell erleuchtet strahlten weiße Baucontainer zwischen Champ de Mars und der Militärschule. Baucontainer als Blickfänge in dieser so berühmten Sichtachse in einer Stadt, die von eben jenen Sichtachsen lebt. In meiner Naivität dachte ich erstnoch an Baumaßnahmen, bis wir uns in die Schlange einreihten. Nein, die Zäune waren keine Baumaßnahme, die Container beherbergten nicht die Handwerker, sondern es war der Security-Check, um unter den Eiffelturm zu gelangen oder gar mit dem Fahrstuhl nach oben. Und wenn ich bis dahin alles ausblenden konnte, jetzt spürte ich sie, die Angst in der Stadt, die der Terroranschlag 2015 hinterlassen hat.

Paris mit Kindern, Eiffelturm
Unter dem Eiffelturm

Auch wenn ich bei Sainte Chapelle oder am Louvre die Sicherheitsschleusen passieren musste, nirgendwo haben sie mich mehr getroffen als am Eiffelturm. Dort war sie fühlbar wie an kaum einer anderen Stelle. Windig war es schon immer gewesen unter dem Eiffelturm, aber zugleich eben auch wohlig warm. Jetzt war es einfach nur ungemütlich und kalt. Obwohl der Platz derselbe ist und auch die Aussicht nach oben geblieben ist, fühlte es sich doch ganz anders an, dort zu stehen, mit eingeschränktem Blick und umzäunt von der Angst vor Terror. Saß der Schock über den Terroranschlag bislang noch tief, spürte ich nun die Wut hochkochen. Wut auf Idioten, die wegen irrwitziger Motive nicht nur derart Grausames tun, sondern auch die Welt so verändern und in Schach halten. Die Menschen, die mit Religion und Feindseeligkeiten nichts am Hut haben, einfach so mit bestrafen. Und Ratlosigkeit, was man denn sonst tun sollte, schließlich ist die Bedrohung da.

Ich erinnerte mich an die ewigen Diskussionen, um Miniröcke und Provokationen, um die Sorge, ob man nun reisen, auf Weihnachtsmärkte gehen sollte oder besser zuhause bleiben. Und meine Wut wuchs, denn es geht um Angst. Sie ist es, die überall spürbar ist, je mehr Anschläge passieren und die solche hilflosen Aktionen wie Sicherheitsschleusen am Eiffelturm hervorbringt. Angst. Aber ist nicht genau das der schlechteste Ratgeber, den wir uns vorstellen können? Nährt sie nicht Zweifel und Kontrollwahn, genau dort, wo wir frei sein könnten und wachsen? Und zieht sie nicht auch gerade das an, was wir am meisten fürchten? Ich möchte nicht durch die Welt laufen und überall das Böse sehen und fürchten.

Paris unterm Eiffelturm mit Sicherheitsschleuse

Es wird Zeit, dass in Paris wieder gefeiert wird. Gelacht und getanzt. Das dürfen wir nicht verlieren, schon gar nicht in einer Stadt wie Paris. Denn das ist ein zentraler Teil unserer Kultur. Und zuletzt auch ein großes Stück Glaube, nicht im religiösen Sinne, sondern viel tiefgreifender: Der Glaube an das Gute und an eine bessere Welt. Wie man das am Eiffelturm lösen soll, das weiß ich auch nicht. Aber so wie es gerade jetzt ist, ist es einfach nicht erträglich.

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19 Antworten

  1. kommt trotz aller Subjektivität aber genauso bei mir an, wie es sicher beabsichtigt war – da gab es mal einen Film „Angst fressen Seele auf“ – egal aus welchem Blickwinkel – es ist wohl niemand frei von diesen Ängsten und es kostet Kraft, sich davon nicht beherrschen zu lassen

  2. ja, genau. Und das an einem solchen Ort ist einfach nur fies. Ich hoffe sehr, dass sich da bald eine andere Lösung findet. Danke fürs Feedback, hab etwas gebraucht, um diesen Artikel zu schreiben, da tun solche Worte echt gut

  3. Vielen Dank für den emotionalen Bericht!
    Ich war im Sommer mit meinem knapp 6jährigem Sohn in Paris, weil er sich nichts sehnlicher wünschte, als den Eiffelturm zu besteigen. Vorab gab es natürlich viel Kritik von Familie und Freunde, wie ich ein solches Risiko eingehen könnte!
    In Paris angekommen habe ich mich allerdings sehr sicher gefühlt… Klar, wir mussten öfter unsere Rucksäcke öffnen und das Picknickmesser musste ich vor dem Eiffelturmaufstieg auch erst entsorgen! In den Baucontainern geht es ja ähnlich zu wie beim Flughafen CheckIn, was meinem Sohn bekannt ist und daher nicht ungewöhnlich oder gar beängstigend wirkte. Der Aufstieg und die selbst erstiegenen704 Stufen haben alles wett gemacht!
    Mein Fazit: wir dürfen und sollten uns auf keinen Fall unsere Freiheit und die Freude am Leben nehmen lassen! Und: ein großes Dank an die Menschen, die alles dafür tun, um uns vor den Menschen zu schützen, die uns das nehmen wollen!
    Reist mit euren Kindern um die Welt und zeigt ihnen die Schönheit dieser und lasst euch nicht einschüchtern!!

  4. Liebe Diana, deine Worte treffen es genau. Es gab auch hier Kritik und Angstmacherei wegen der Reise – ich wusste, sie ist wichtig. Und als ich in Paris war, habe ich mich nicht unsicherer gefühlt als an anderen Plätzen und in anderen Städten auch. Ja, die Ausblicke und Schönheit der Stadt machen das wieder wett und Kinder denken sich erstmal sowieso nichts Schlimmes dabei – zum Glück. Du sprichst mir mit deinen letzten Sätzen aus der Seele, deswegen: Großen Dank für diesen Kommentar

  5. dem Beitrag kann ich nur zustimmen !
    was anderes: Ich habe kürzlich gelesen,dass man den Eifelturm bei „Nacht“ nicht mehr fotografieren darf. Die Firma die für die Ausleuchtung des Turmes verantwortlich ist, hat sich die Fotorechte genehmigen lassen. Bedeutet tagsüber ja aber nachts nein und man muss ich für die Veröffentlichung eines Fotos in sozialen Medien eine Genehmigung geben lassen. Ich finde das völlig krass aber anscheinend ist das so ! Gebe dir dies nur so als Tip weiter !!!!

  6. Lieber Manni, danke fürs aufmerksame Lesen. Und den Kommentar. Das mit dem Fotorecht weiß ich – das ist Urheberrecht wegen der Illumination. Ich halte dich auf dem laufenden, was hier so passiert 🙂 – man weiß ja nie, welche Illumination gemeint ist. Der blinkt ja andauernd anders. Und ich hoffe einfach mal, dass ohne die Lichtkunst das noch so durchgeht. Ansonsten muss ich eben tauschen gegen die grauen Tagesbilder

  7. Liebe Andrea, da ich für nächstes Jahr vorhabe Paris zum fünften Mal zu besuchen, habe ich sehr aufmerksam deinen Bericht gelesen. Vielen Dank für deine Emotionen und ich bin gespannt aber vorbereitet, wie es mir beim Eiffelturm ergeht. Ich wünsche dir noch eine schöne Weihnachtszeit
    LG Andrea

  8. Liebe Andrea,

    erst einmal möchte ich dir für diesen, wie ich finde, bewegenden Beitrag danken.

    Die schlimmen Vorkommnisse haben in manchen Köpfen Mauern errichtet. Mauern die vor der Angst schützen sollen. Doch gerade das ist es doch was die Verursacher dieser Untaten beabsichtigen.
    Umso wichtiger ist es das Leben so weiter zu führen wie bisher.
    Wir tun uns doch keinen Gefallen damit auf das Schöne im Leben zu verzichten – also fort mit der Angst, denn passieren kann überall etwas.

    Kinder, wie deine Tochter haben uns etwas voraus, sie gehen unbedarft durch das Leben.

    Liebe Grüße,
    Lilo

  9. Liebe Andrea, dann bin ich ja gespannt, wie du es erlebst, ich werde es auf jeden Fall lesen bei dir, denke ich…
    Liebe Grüße und schöne Feiertage wünsche ich dir

  10. Liebe Lilo, danke für deine Rückmeldung. Es ist ein Thema, das mich sehr bewegt, wie du weisst. Deswegen sind die Rückmeldungen so wichtig, über deine freue ich mich dieses Mal besonders. Du hast ja so recht.
    Ganz liebe Grüße

  11. Es ist schlimm…auch mir spukte das im Kopf herum, als wir im Januar dort waren und all die Soldaten sahen, die ihre Patrouillen um die Touristen Hotspots liefen. Zum Glück hielt das nicht lange.

    Vielen Dank für die tollen Fotos und für deinen Bericht.

    Ganz liebe Grüße! ??‍♀️

  12. Wenn ich bedenke, dass sich gestern der Jahrestag des Anschlages auf Charlie Hebdo zum 3. mal jährte – und ich seit der Zeit nicht mehr den Mut aufbrachte, die für mich eigentlich schönste Stadt der Welt zu besuchen.
    Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als es für mich problemlos möglich war, mit meinem PKW unter Madame Eiffel zu parken.
    Oder oftmals am Canal St. Martin am Bataclan vorbei schlenderte …
    Es macht einfach nur wütend erleben zu müssen, mit welchen Einschränkungen wir mitlerweile wegen solcher Wirrköpfe leben müssen.
    Hab nun letzte Woche auch wieder beschlossen Ende März Paris zu besuchen, um Tochter und Enkeln “ Mein Paris “ näher zu bringen. Bin mal gespannt, ob ich wieder die Unbefangenheit erlange, wie bei den über 50 Besuchen in den letzten 45 Jahren.
    Danke Andrea für den emotional geschrieben Bericht.

    Bezüglich den Nachtbildern von Madame Eiffel – es genügt dass man bei einer Veröffentlichung folgenden Untertitel darunter setzt:
    > Copyright of the Illumination of le Tour de Eiffel by “SETE – illuminations Pierre Bideau” <
    ( Waren lange Diskusionen in vielen Fotoforen vorausgegangen bis sich der Rechteinhaber auf
    diesen Kompromiss einließ )

    Grüße Horst

  13. Lieber Horst, oh, jetzt hast du mich aber wirklich berührt. Wegen solcher Kommentare und solcher Worte macht es Spaß, einen Blog zu pflegen und aufzubauen, denn dann weiß ich, dass ich den Menschen auch etwas gebe. Ja, ich habe auch gezögert, Paris und dann noch mit meinem Kind, aber Sicherheit gibt es eben nirgendwo und ich finde toll, wenn du Paris auch wieder besuchst, ich freu mich sehr, wenn du hinfährst und noch mehr, wenn du erzählst wie es war, denn solche Erlebnisse wie mit dem Auto unter dem Eiffelturm sind toll und müssen weitergetragen werden in die nächsten Generationen, sozusagen als Geschichte und Geschichten unserer Familien. Ich wünsche dir eine ganz wunderbare Zeit und danke für den Hinweis mit dem Copyright! Viele Grüße

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Hallo! Ich bin Andrea Lammert. Als Wegreisende, Bücherschreibende und Bloggerin bin ich stets auf Achse.

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