Manche Orte sind so nah – und doch schafft man es nie dorthin. So erging es mir jedenfalls mit Irland. Jetzt bin ich endlich auf der grünen Insel und es gab gleich zwei Premieren: Linksfahren und Guinness.Schon beim Anflug auf Dublin habe ich Bammel: Linksverkehr. Ausgerechnet ich soll da durchsteigen, wo ich rechts und links sowieso immer verwechsele. Wie oft höre ich beim Autofahren: „Das andere Rechts.“ Aber Blockaden sind dazu da, sie zu überwinden. Ich frage mich gerade, wie ich auf die Idee kam, in Irland Auto fahren zu wollen, als es auch schon zu spät ist: Ein zuvorkommender Mann sammelt mich am Schild der Autovermietungen auf und weist mich an, in seinen Shuttlebus zu steigen. Ja, in Dublin liegen die Autovermietungen nicht unbedingt fußläufig zum Terminal. Er ist sehr lebensfroh und redseelig, der Ire hinter dem Steuer, und als ich ihm meine Angst anvertraue, legt er richtig los. Und gibt mir letztendlich auch die entscheidenden Ratschläge. Im Kreisverkehr immer clockwise fahren, also im Uhrzeigersinn. Und auf die Radfahrer achten, das sei das Schwerste. „Linksfahren ist einfach, Sie werden sich schnell dran gewöhnen. Bloß immer gemütlich bleiben.“
Er übergibt mich seiner unglaublich hübschen Kollegin Laura, die mit mir die Formalitäten klärt und mit mir zum Auto geht. Sie muss lachen, als ich ihr sage, dass ich zum ersten Mal Linksverkehr selbst fahre. „Am besten drehen Sie einige Runden auf dem Parkplatz, um das Auto kennenzulernen.“ Sie öffnet mir den Kofferaum, zeigt mir Licht und Navigationsgerät – und ich kriege Panik, als ich sehe, dass auch die Schaltung auf der anderen Seite ist. Wir kichern beide, sie scherzt rum und lässt mich schließlich allein. Schon beim Anschnallen hakt es, denn ich greife zur falschen Seite.
Das Auto springt wunderbar an, doch als ich losfahre, würge ich es gleich wieder ab. Ich starte und er säuft wieder ab. So also reiten wir im Rodeo unsere ersten Meter auf dem Parkplatz. Eigentlich will ich ja noch weiter üben, aber plötzlich bin ich schon auf der Exit-Spur. Keine Chance zu wenden, ich muss mich ganz dem Verkehrsfluss beugen und fahre links. Fühlt sich so total falsch an. Und wieder würge ich den Wagen ab, als ich starte. Was ist denn das bloß? Erst viel später merke ich, dass ich ständig im 3. Gang anfahre, weil ich es einfach nicht gewöhnt bin, so weit nach links zu schalten. Ich tröste mich damit, dass Rechtshänder sowieso die linke Seite zu wenig benutzen und es meinem Gehirn sicherlich gut tun wird, aus alten Mustern herauszukommen.
Das Einfädeln in die Autobahn nach links ist auch irgendwie ungewohnt, außerdem will ich bei zwei Spuren ständig auf die rechte. Ich konzentriere mich stark, zum Glück geht es jetzt erstmal 40 Minuten geradeaus.
Die Ausfahrten enden hier meistens in Kreiseln und irgendwie ist Linksverkehr im Kreisel nicht so schlimm wie ich befürchtet habe. Dafür aber Rechtsabbiegen oder gar Wenden. Da bricht mir schnell der Schweiß aus. Ich weiß gar nicht, in welcher Richtung ist den Gegenverkehr suchen soll und fühle mich überfordert. Die Straße wird enger, es ist sehr ländllich, keine Geschäfte, keine Tankstellen, nur einzelne Häuser. Dafür ein schöner Aussichtspunkt. Überall wächst Ginster und Weißdorn, alles blüht in voller Pracht. Ich steige aus und will den Kofferraum öffnen – klappt nicht. Ich fühle die kleinen Schalter unter dem Opel-Zeichen meines Leihwagens und drücke, vergeblich. Argh – wie geht denn der Kofferraum auf? Hab ich vielleicht das Auto abgeschlossen? Nein, ich komme rein, alles offen. Nur der Kofferraum bleibt zu. Ok, also versuchen, vom Rücksitz aus die Abdeckplatte zu heben und Rucksack und Kamera da raus zu fischen. Aber die hintere Tür geht nicht auf. Ich drücke mehrfach auf meinen Schlüssel, dann lässt sich die Hintertür öffnen – und wie durch Zauberhand auch der Kofferraum. Anscheinend hat Opel eine zweifache Sicherung für die hinteren Türen, da muss man zweimal auf die Fernbedienung des Schlüssels drücken. Wer weiß sowas schon?
Im nächsten Dorf gerate ich in eine Polizeikontrolle. Alle vor mir werden durchgewunken, nur ich angehalten. Der Polizist fragt freundlich, ob ich von hier sei. Oh je, fahre ich so schlimm, dass man es sieht? Nein. Zu Gast. „Wo wohnen Sie denn?“ Tja, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, ich bin doch gerade erst angekommen. „Wo wollen Sie denn hin?“ Au weia, wenn ich jetzt noch sage, dass ich das auch nicht so genau weiß, weil ich es ja ins Navi eingegeben habe… Es fällt mir wieder ein, aber ich kann es nicht so aussprechen, dass es ein Ire versteht: „Loughcrew Cairns“. Er lacht und lässt mich weiterziehen.
Ich bin froh, als ich endlich Oldcastle erreiche, suche mir einen Parkplatz und will mir etwas zu trinken kaufen. Doch dann stelle ich wieder mal fest – Linksverkehr ist auch beim Überqueren der Straße gefährlich, weil man grundsätzlich zur falschen Seite schaut.
Rechtsabbiegen ist eine echte Herausforderung auf der Weiterfahrt, ich fühle mich total falsch, fast so, als würde ich etwas Verbotenes tun. Und wenn dieser Tag schon so anders ist und mich auf links dreht, dann mache ich etwas, was ich noch nie gemacht habe: Ich trinke Bier – ein Guinness. Schmeckt sogar. Naja, die ersten 3 Schlücke. Denn eigentlich mag ich kein Bier. Aber wie gesagt – ich bin ja heute auf links gedreht.
Die Reise wurde unterstützt von Irland-Tourismus, dem irischen Tourismusbüro in Deutschland – danke dafür.
Tipps zum Autofahren in Irland:
- Überholt wird rechts.
- Es gilt, soweit es nicht anders ausgeschildert ist, rechts vor links.
- Im Kreisel wird immer MIT dem Uhrzeigersinn gefahren.
- Auf einigen Straßen wird Maut verlangt, die Summen halten sich mit 1,90 € bis 3,10 € in Grenzen, lediglich der Hafentunnel (Dublin Port Tunnel) ist teuer und kostet 10 € Maut. Auf der M 50 werden die Autos per Video aufgenommen und müssen dann innerhalb von 24 Stunden die Gebühr in einer Payzone (also eine Tankstelle oder ein Laden) bezahlen. Hier kann nicht bar bezahlt werden.
- Geschwindigkeitsgrenzen in Irland: Im Ort 50, außerhalb 60-80, Schnellstraße 60-100, Autobahn 120 km/h
- Alkohol am Steuer in Irland: Die Promillegrenze liegt bei 0,5 %.
Ihr plant einen Roadtrip durch Irland? Dann lest mal bei Ellen vom Blog Patotra rein, sie gibt Tipps für die Rundreise. Und hier gibt sie Tipps für einen Familientrip nach Dublin.
14 Antworten
tolle story und schöne fotos. damit weckst du ganz nebenbei meine erinnerungen an die grüne insel, die immer was mit musik zu tun haben. und an tony hawks, der mit einem kühlschrank durch irland trampte. eine bevölkerung, die solch spleenige typen geradezu vergöttert, verkraftet mit sicherheit ganz problemlos auch kontinentaleuropäer, die erste erfahrungen mit linksverkehr sammeln. ich selbst kann jedoch zu diesem punkt nichts beisteuern, denn als reisender mit sehbehinderung hab ich weder links- noch rechtsverkehr jemals ausprobiert.
beste grüße
peter
Respekt! Mir wäre es vermutlich genauso ergangen.
Wünsche dir noch einen tollen Aufenthalt in Irland! 🙂
Liebe Grüße
Amara
Liebe Andrea, das kenne ich gut (allerdings haben ich sogar im Kreisverkehr große Schwierigkeiten). Man gewöhnt sich aber tatsächlich nach einer Weile. Dann bleiben für mich immer die großen Herausforderungen: 1) Städte, 2) einsame Gegenden, in denen man Stunden kein anderes Auto sieht – da vergißt man nämlich leicht den Linksverkehr. Ansonsten: Hach, Irland. So herrlich. Im Mai muss es ja ein Traum sein. Ganz viel Spaß, Stefanie
Liebe Stefanie, ja, die Städte sind tatsächlich eine Herausforderung. Ich bin ja jetzt einige Tage hier und steige nach Stadtfahrten noch immer auf der falschen Seite ins Auto, weil ich so gestresst bin :-). Aber im Mai ist es tatsächlich herrlich, unglaublich farbenprächtig. Liebe Grüße, schön dich hier zu lesen
Liebe Amara, danke fürs Vorbeischauen bei mir. Das tröstet ein wenig, dass ich nicht allein so bin 🙂
Liebe Grüße
Lieber Peter, na, das sind ja ganz andere Irland-Aspekte, die du hier rein bringst. Spannend. Muss ich mal nachlesen. Da bin ich lieber im Auto unterwegs als mit einem Kühlschrank zu trampen :-). Bald wirst du mehr lesen von der schönen grünen Insel
Sonnige Grüße
Liebe Andrea, Deine Gefühle beim Linksfahren kann ich sowas wie gut nachvollziehen! Ich komme gerade aus den NW-Highlands und bin dort die abenteuerlichsten Single Track Roads gefahren. Mein Auto hatte 7 Gänge und anfangs bin ich ständig im falschen Gang gelandet. Schlecht in den Bergen! Automatik ist da wesentlich entspannter, aber der Mietpreis war gleich 250 Euro mehr. Also die Challenge angenommen. 🙂
Ein schönes Wochenende wünsche ich Dir! LG Simone
7 Gänge? Da wär ich konplett überfordert. 6 fand ich schon reichlich. Ich hoffe, du schreibst über deine Erlebnisse dort. Ich freu mich, dich zu lesen. Ganz viele Grüße
Der LInksverkehr ist tatsächlich der entscheidende Grund, warum wir uns noch nie nach Britannien oder Irland gewagt haben. Rechts vor Links, obwohl Linksverkehr – schon damit allein hat mein Gehirn jetzt 5 Minuten gekämpft und so recht kann ich mir das immer noch nicht vorstellen. Ich glaube ich müste erstmal ne Fahrstunde nehmen, bevor ich mich in den Verkehr wagen würde :o).
Ein sehr schöner Bericht mit vielen Möglichkeiten, mitzufieber und zu schmunzeln. Nun hab ich nicht mehr ganz so viel Bammel vor einer Autoreise nach Irland.
Ich werde meine 1. und bislang einzige Autofahrt auf der „falschen“ Seite auch nicht vergessen. Zum Glück war es auf einem „privaten“ Gelände in Deutschland. Und folglich war nicht viel los.