Indigo-Färben in Hannover? Nichts wie hin da. Gestern und heute sind Tage des Kunsthandwerks in Hannover. Petra Hassan hat mich gestern in die Kunst des Indigofärbens eingeweiht. Alles ist blau: Ihre Finger, ihr Halstuch, selbst ihre schwarzen Haare schimmern bläulich in der Sonne. Indigo ist für Petra Hassan mehr als eine Farbe. Es ist Leidenschaft und Lebensinhalt. Auf jeden Fall zieht sie sich wie ein blauer Faden durch ihr Leben, denn die Hannoveranerin ist Indigo-Färberin mit Leib und Seele.
„Blau war schon immer meine Farbe“, sagt sie. Dass es dann indigo wurde, löste ein Buch über die Sahara aus. Dort wurde eine Frau in einem indigoblauen Gewand beschrieben, das in der Sonne metallisch in vielen Farben changierte. „Seitdem hat mich indigo fasziniert“, sagt sie. Doch sie hat zunächst eine kaufmännische Ausbildung gemacht und bei H&M angefangen zu arbeiten. 20 Jahre später hat sich fast alles verändert: Sie ist mit einem Mann mitten aus der Sahara verheiratet, hat oft indigoblaue Finger, näht wunderbare Kissen, knüpft Teppiche und gibt Färbekurse.
Indigo-Färben lernen
Zusammen mit vier weiteren Frauen bin ich zu Gast in der Werkstatt von Orike Muth in Hannover. Anlässlich der Tage des Europäischen Kunsthandwerks in Hannover zeigt uns Petra, wie sie auf weißes Leinen fantasievolle Muster bringt. Die Werkstatt liegt wie eine Oase in Hannover-Linden, in unmittelbarer Nachbarschaft zur quirligen Deisterstraße. Während die schmale Straße eher abweisend nach Häuserwüste wirkt, eröffnet sich beim Durchschreiten der Tür eine neue Welt: Einer von vielen Hinterhofoasen Hannovers mit blühender Magnolie und Baumhaus. Auf der Holzterrasse stehen Eimer und Werzeug zum Färben bereit.
Doch ich muss erstmal in die Werkstatt und bin fasziniert von den schönen Farben, Mustern und Stoffen. Das pflanzliche Indigo ist nicht so schrill wie manch andere Blautöne, aber dennoch sehr satt und schön. Ich erfahre, dass es schon bei den ägyptischen Mumien gefunden wurde und heute bei den Jeans noch immer verwendet wird.
Petra ruft uns zusammen und faltet gekonnt ein Stück weißes Leinen zu einer kleinen Dreieck.Origami mit Stoff? Ja, soetwas Ähnliches. Shibori nennt sich diese Falttechnik, die mich irgendwie auch immer an Batik erinnert und natürlich aus Japan kommt.
Shibori – Origami mit Stoff
Mit Gummibändern wird das Gefaltete fixiert und erstmal ins Wasserbad gelegt. Dann wendet sich Petra an mich: „Und was willst du machen?“ Mich haben schon die ganze Zeit die Murmeln fasziniert, Murmeln finde ich sowieso klasse, also möchte ich auch hier mit ihnen arbeiten. Ich fülle sie in Stoff und binde sie mit Kabelbinder fest – lauter kleine Knubbel habe ich jetzt auf meinem Stoff. Eine andere Frau will ihre weiße Bluse einfärben, am liebsten mit Farbverlauf. Beherzt greift sich Petra das gute Stück und badet das untere Drittel in ihrem Hexenkessel. Als es herauskommt, ist es türkisgrün – und wie alle erschrecken. Petra lächelt: „Das reagiert mit Sauerstoff und muss erst noch verblauen.“ Sie wäscht die Bluse aus und hängt sie auf die Leine.
Dann kommt mein Murmelpaket ran und wird in den Topf gelegt. Es wird so bräunlich-grün. Jetzt aber weiß ich ja, dass es sich bald in schönes Blau verwandelt. Während es dort liegt, erzählt mir Petra, dass sie erst vor vier Jahren mit dem Indigo-Färben angefangen hat. „Es war ganz schwierig, herauszufinden, wie man die Farbe richtig anmischt, denn Indigo ist nicht wasserlöslich.“ Und so wie die Blaufärber in Erfurt und Co es einst machen mussten „erst viel Bier trinken, danach in ein Fass urinieren, in dem der Färbesud dann angerührt und fermentiert wird“ wollte sie es auch nicht machen.
Geheimrezepte für das Pulver
Sie experimentierte mit chemischen Zusammenstellungen herum, um das Pulver gut löslich zu machen, bis sie schließlich in einem japanischen Rezept die Lösung für die Küpe fand. Um das Pulver zum Indigo-Färben gut zu lösen, muss man es mit Honig mischen.Und dann kommt noch etwas Kalziumhydroxid dazu, fertig ist die Pigmentpaste. „Das ist ohne große Chemie, sehr naturbasiert und funktioniert wunderbar.“ Und die Mengenverhältnisse? „Habe ich im Gefühl“, sagt sie und ermuntert mich, mein Shibori-Paket aus der Brühe zu holen.
Es ist erst grün, wird aber schnell ganz blau. Wie ein kleines Wunder. Indigo-Färben macht einfach Spaß. Auch die anderen Frauen sind jetzt im Färbefieber, knoten Tücher, eine zweite Bluse wird getaucht. „Man man den Stoff immer wieder eintauchen, dann wird er dunkler“, erklärt Petra. So machen es letztendlich auch die Inder – oder eben die Wüstenvölker, allen voran die Touareg mit ihren schönen Turbanen.
Einen solchen Turban hat Petra auch. Und genau dieser hat sie wieder an ihr Buch erinnert, das in der Sahara, in dem eine Frau beschrieben wird, die mit einem metallisch schillernden Indigo-Umhang auf einer Düne steht. Lange hat Petra danach gesucht, wie wohl dieses Gewand gefärbt worden sein könnte. Bis sie endlich darauf kam: „Wenn Indigo überfärbt ist, dann entstehen diese metallischen Effekte.“ Also, wenn man es zu oft in die Farbbrühe hält. Das muss ich ein anderes Mal probieren. Petras Turban liegt übrigens gerade im kleinsten Design-Museum Deutschlands. Bei Steinhoff in Hannover, denn dort läuft eine Ausstellung zum Thema indigoblau. Und nun ratet mal, was ich mir als nächstes ansehe?
Eine Übersicht über Petras Arbeit und ihre Termine findet Ihr hier. Aber wer sich beeilt, kann auch heute noch zum Färbeworkshop in der Werkstatt von Orike Muth.
Eine Anleitung zum Ansetzen der Indigo-Küpe findet Ihr hier. Und hier gibt es das Ganze ausführlicher auf Englisch.
20 Antworten
Liebe Andrea,
was für ein toller Bericht und die Fotos, ich freue mich grad wie ein Kind an Weihnachten!
Lieben Dank nochmal und ich freue mich auf nächsten Sonntag!
Liebe Grüße
Petra
Liebe Petra, oh, wie schön. Das freut mich sehr. War ja auch superschön bei dir. Wir kommen auf jeden Fall und freuen uns schon. Liebe Grüße und genieß den Abend
Weil ich es erst jetzt sehe, ich bin übrigens wirklich aus Bayern und keine Hannoveranerin 😉
Das weiß ich doch, Petra, aber wenn du schon fast 20 Jahre hier lebst, bist du Wahlhannoveranerin 🙂 oder?
Hallo Andrea, ein toller Artikel, beim Lesen kommt man direkt auch in’s Färbefieber. Das würde ich selbst gern erleben. Liebe Grüße Eva
Danke Eva, das stimmt! Dann sag Bescheid, wenn du in der Nähe bist 🙂 dann nehm ich dich mit. Liebe Grüße
Vielen Dank für den tollen Erfahrungsbericht! Shibori kann ich noch nicht – echt faszinierend. Wer übrigens auf Indigo steht und mal in Dänemark unterwegs ist: http://eu-joy.com/die-blaumacher-von-klitmoeller-indigo-und-slow-fashion-aus-daenemark/ Ein schöner Bericht über eine kleine Aussteiger-Färberei.
Liebe Svenja, das klingt ja auch total superspannend. Schaue ich mir gerne an. Shobori ist ganz toll, finde ich jedenfalls. Du färbst also auch? Viele Grüße
Andrea
Liebe Andrea, ich bin so glücklich über deinen Beitrag.
er bereichert mein Leben einfach so sehr. Mach weiter so 😀
Laura
Liebe Laura, oh, das freut mich! Danke dir und liebe Grüße
Hallo Andrea,
vielen lieben Dank für das Rezept. Bin in der Museumsschiene „Römer“ unterwegs und habe als Darstellung Färberei. Natürlich auch Indigo mit Färberwaid. Jahrelang habe ich mich mit der Urinküpe rumgeplagt. 6-8 wochen bis zum fertigen Ergebniss. Fand auch kein umweltschonendes anderes Rezept. Doch nun dank Dir kann ich öfter und mehr färben, als in meinem kleinen Rumtöpfchen. Liebe Grüsse Claudia / Nxmphaea
Liebe Claudia, dann wünsche ich dir mal frohes Färben.
Hallo Andrea, ja, ein super schöner Bericht. wir sind zwar in 2020, aber es immer spannend was andere Kreative so machen. Ist es möglich, dass Du mir die Rezeptur für die Indigo Färbung schicken kannst? Wenn Kosten entstehen bezahle ich es gerne.
Bin etwas aus der Übung. Das letzte mal das meine Hände blau gefärbt waren , ist ca 20 Jahre her.
Würde mich freuen von Dir zu hören
herzliche Grüße aus Potsdam
Renate Weber
Liebe Renate, schön dich hier zu lesen. Leider habe ich kein Rezept, da ich auch nur an einem Workshop teilgenommen habe. Ich kann dir aber Petra Hassan von ranipink empfehlen, die ist echte Expertin in diesen Sachen. Ich hoffe, da hast du mehr Erfolg.
Liebe Grüße
Andrea
Also bitte, ganz naturnah, ohne viel Chemie…. Das ist selbstverständlich reinste und feinste Chemie! Redoxreation wie aus dem Lehrbuch. Nur die reduzierte Form von Indigo, die übrigens farblos ist, zieht auf die Faser auf, wenn auch nur ganz außen auf der Faser. Durch Luftsauerstoff wird die reduzierte Form, auch Leukoform genannt, wieder oxidiert und wasserunlöslich. Unter dem Mikroskop sähe man bei einem Faserquerschnitt, daß das Blau dann wie ein Ring um die ungefärbte Fasermitte liegt. Daher kommt der Name „Ringfärbung“ Die im Lauf der Zeit zerfallenen Farbstoffmoleküle sind wieder wasserlöslich. Bei Waschen werden die vergilbenden Stoffe also gut wieder aus dem Gewebe gespült. Indigo gefärbte Stoffe sind deshalb nach dem Waschen wieder rein blau. Geniale Chemie, bis heute, ob das Indigo nun aus Pflanzen gewonnen wird oder in Kesseln synthetisiert wird.