Es ist ein uraltes Heilmittel: Wer sich früher nicht fühlte, nahm ein Moorbad. In Bad Senkelteich hat sich mit dem Moorland ein kleiner Kurbetrieb ganz dem torfigen Etwas verschrieben: Zwischen Teutoburger Wald und Porta Westfalica gibt es nicht nur Moorwellness, sondern auch Moorwasser zum Trinken, Moortorte, Moornudeln und sogar Moormatratzen.
Ein altes Allheilmittel ist etwas ins Abseits geraten: Moorbwellness haftet oft der Ruf des Altmodischen an, der Kurbetriebe für Senioren oder die Generation 55 +. Wie es mit Vorurteilen immer so ist, vergessen sie oft die große andere Hälfte der Wahrheit, denn eigentlich eignet sich Moorwellness gerade für junge Frauen. Schon der mittelalterliche Arzt Paracelsus hat Moorbäder gegen Gelenkschmerzen empfohlen.
Und heute sagen Studien der Ruhr-Universität Bochum Moor hormonregulierende Wirkung nach. Es soll zudem bei Unfruchtbarkeit helfen. „Hebammen wussten das schon immer. Sie haben Frauen früher zur Moorkur geschickt“, erzählt Ulrike Großmann. Die Inhaberin des Kurbetriebs Moorland in Bad Senkelteich schwört auf die Heilkraft des Moores.
Steile Hänge fassen das Bad Senkelteicher Moor am Rande des Teutoburger Waldes ein. Etwa 40 Kilometer entfernt locken die mystischen Externsteine. Hier im Vlothoer Land liegt der Kurbetrieb an einem eingestürzten, kreisrunden Krater. Als dort vor 8000 Jahren Schwefel und Wasser aufstiegen, bildete sich genau in der Mitte des Kessels ein kleines Moor mit immerhin 40 Meter Tiefe. Der Krater beeindruckt nicht nur mit seinem schwarzen Auge, sondern mit knorrigen, alten Bäumen, die ihre Wurzeln über die Wege wuchern lassen. Manche Stämme wirken wie aus den Märchen, so malerisch bewuchert, das zur Winterzeit das einzige Grün der Umgebung bleibt. In Serpentinen führen Wege zum Grad des Talkessels. „Wandern ist wichtig bei unseren Behandlungen“, sagt auch Ulrike Großmann.
Wissenschaftler bestätigen inzwischen, dass enthaltenen Substanzen wie Fulvin- und Ulminsäure den Hormonhaushalt anregen und sich nicht nur bei Kinderwunsch positiv auswirken, sondern auch bei Wechseljahresbeschwerden. Denn mit der Moorwellness setzt der Körper vermehrt das Hormon Östrogen frei. „Das hat auch einen wunderbaren Anti-Aging-Efekt“, erklärt Ulrike Großmann schmunzelnd, die selbst eine erstaunlich junge Haut hat, obwohl sie schon bestimmt weit über 50 ist.
Regelmäßig geht sie in die Badewannen voller dickem, schwarzem Matsch.Es kostet Überwindung, sich in diese Pampe zu begeben und vom Schlamm umspülen zu lassen. „ „Das wird schon“, ermuntert Badefrau Brigitte. Also nichts wie rein da. Es scheint fast so, als sauge der schwarze Brei seinen Badegast auf. Sofort schmaddert das 42 Grad warme Schwarz überall um den Körper herum. Hinlegen geht nur ganz im Schneckentempo. Lohnt sich aber, denn der Körper bleibt irgendwann einfach schweben. Ganz schwerelos in schwarzer Pampe – ein faszinierendes Phänomen.
Vor allem aber macht Moorwellness erst mal eins: warm. „Das ist das Heilfieber“, sagt Badefrau Brigitte. Mit dem Bad im Moor erhöht sich die Körpertemperatur um ein bis zwei Grad. Das soll Kreislauf und Immunsystem anregen und giftige Stoffe aus schwemmen. 15 Minuten sind vorbei, ich muss aus der Wanne. Gar nicht so einfach.
Das Moor zieht mich wieder zurück in den warmen Brei. Brigitte kennt das schon und reicht die Hand. Wie ein Matschmonster sehe ich aus. Schnell abduschen und dann ab auf die Ruhebank. Der ganze Körper ist durchblutet, das Herz pocht angenehm und die Haut schimmert rot wie nach einer Rubbelmassage. Und die Füße glühen. Na endlich mal warm bei diesem Wetter. Vor allem aber knurrt der Magen. In Bad Senkelteich gibt es Moor nicht nur zum Baden, sondern auch Essen, etwa Moornudeln mit Lachssoße. Davor noch Tomate-Mozarella mit Moor-Balsamico. Keine Spur torfig im Geschmack, eher sehr lecker. Sogar die Schwarzwälder-Kirschtorte enthält hier Moorsubstanzen. Ein richtiges Moorland eben. Doch schmeckt alles ganz normal. „Es sind auch nur Spuren von Moor enthalten. Doch die helfen dem Körper, zu entschlacken“, so Ulrike Großmann, die einen der ältesten und kleinsten Kurbetriebe Deutschlands führt. Seit 1866 werden hier die rollenden Moorbadewannen per Hand mit der schwarzen Pampe befüllt, die direkt aus dem trichterförmigen Talkessel gewonnen wird.
Und damit das auch so bleibt, wird der gebrauchte Schlamm nach der Behandlung wieder zurück ins Moor gepumpt. Angst vor Krankheitsüberträgern müsse man beim Moor sowieso nicht haben, sagt Ulrike Großmann: „Im Moor direkt wächst nichts. Es ist von Natur aus antibakteriell, erst recht, wenn es auf 42 Grad erhitzt ist.“ Ich kann ihr kaum noch zuhören, nach dem Essen überkommt mich eine große Müdigkeit. Ich lege mich auf die mit Moor angereicherte Matratze und schlafe wie ein Moor – pardon – Murmeltier.
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