Wasser in der Region Hannover gesucht? Dann ab ans Steinhuder Meer. Es muss ja nicht immer Steinhude sein. In Mardorf gibt es auch viel zu entdecken. Moor etwa und einen schönen Strand. Aber leider auch Torfabbau.
1. Das Steinhuder Meer und ich
Das Steinhuder Meer und ich, wir sind nicht warm geworden miteinander. Wir kennen uns schon lange und haben es immer mal wieder miteinander versucht, aber so richtig gefunkt hat es nie. Ich kam irgendwie immer enttäuscht wieder. Es war entweder zu klein, zu voll, zu flach und sowieso war es eine Hochstaplerin, denn ein Meer ist es nun allemale nicht, ein großer Binnensee vielleicht. Tatsächlich muss ich gestehen: Ich mochte es einfach nicht, irgendetwas schien mir da unstimmig. Als Kind des echten Nordens hatte ich nie verstanden, was die Hannoveraner an diesem Gewässer so toll fanden. Es fehlten die Wellen, der Salzgeruch…
2. Neue Chance
Doch dann kam einer der ersten, schönen Frühlingstage dieses Jahr und ich war zufällig in der Nähe und dachte mir: Wir versuchen es noch mal miteinander, das Steinhuder Meer und ich. Schon der Weg dorthin hat mich verzaubert, denn es war nicht dieser typische Überlandweg durch Felder, sondern wir rauschten durch einen lichten Birkenwald, der, total surreal, auf einer Seite komplett im Moor stand. Baumstümpfe ragten aus dem Wasser. Tote Birkenstämme, die wohl in vielen tausend Jahren wieder zu Torf werden. Denn, das ist ja irgendwie bekannt, Torf ist ein Rohstoff, der ganz langsam wächst und Tausende von Jahren braucht, um richtig dicke Schichten zu bilden.
Angetan von den toten Birkenstämmen im Wasser und dieser einmaligen Landschaft, nahmen wir zwar wahr, dass im Moor Züge fuhren und Maschinen standen, waren aber zu begeistert vom Ausblick, um Fragen zu stellen. Wir machten uns auf zum Moorerlebnispfad in Mardorf und fanden uns in einer Doppelmoral wieder, die uns im Nachhinein schwer schockierte. Dabei war Teil 1 der Tour der schöne, denn wir gingen auf dem Moorerlebnispfad.
3. Moorerlebnispfad in Mardorf
Es ist ein wunderschöner Start: Ein langer Holzweg, der in einen Steg endet. Der Blick reicht weit, bis zum Kalimanscharo, dem aufgetürmten Berg Kali in der Ferne. Enten schnattern und die Luft ist diesig. Ein herrlicher Morgen. Wir schlagen den Moorerlebnisweg ein und nehmen uns vor, so lange darauf zu wandern, wie es uns und den Hunden gefällt. Es ist ein spannender Weg, der uns den Lebensraum Moor näher bringen soll. Echte Moore sind selten geworden in Deutschland und Schilder klären uns auf, wie wichtig Moore für das Klima sind.
Dort ist zu lesen, dass Moore zwar nur 3 Prozent der Erdoberfläche einnehmen, aber diese 3 Prozent speichern 33 Prozent der im Boden gebundenen Kohlenstoffe. Beim Torfabbau werden also nicht nur wertvolle, uralte Rohstoffe verbraucht, sondern auch noch jede Menge Kohlenstoffe in die Luft freigesetzt.
Moore sind wichtig für das Klima und eine bedeutsame Lebenszone für viele Tiere. Blaue Moorfrösche fühlen sich dort wohl wie Libellen und Vögel wie Reiher oder Seeadler.
4. Tagebau und Schürfrecht mitten im Moor
Der Weg macht Lust auf den Lebensraum Moor, wir erfahren, dass dort Kreuzottern wohnen und dass man den empfandsamen Boden möglichst nicht betreten soll. Es gibt schöne Holzbohlenwege, die zu versteckten Teichen führen und immer wieder Aussichtstürme aufs Meer. Wir hätten diese Weg sehr genossen, wenn da nicht die vielen Radfahrer gewesen wären, die uns das Gefühl gaben, als Fußgänger auf einer Autobahn für Fahrräder gelandet zu sein, so viel Verkehr war dort – und das an einem normalen Donnerstag. Schade, so macht das zu Fuß gehen keinen Spaß.
Irgendwann wurde es uns zu bunt und wir machten kehrt, spazierten durch traumhafte Wälder gen Strand.
5. Blumenerde statt Umweltschutz
Auf dem Rückweg kamen wir wieder an dem Torfgebiet vorbei. Jetzt sahen wir es deutlich: Dort wurde noch Torf abgebaut. Wir wollten es nicht wahr haben, doch wenige Meter weiter stapelten sich die tyischen Blumenerdesäcke und wurden auf LKW verladen. Eine kleine Torfbahn fuhr die wertvolle Erde ab. Torf ist eigentlich für Blumen überhaupt nicht zu gebrauchen, er ist viel zu sauer und braucht viele Zusatzstoffe, um Blumenerde zu werden. Es gibt inzwischen viel bessere Möglichkeiten, die luftdurchlässige Blumenerde zu erzeugen als mit diesem wertvollen Stoff aus den so selten gewordenen Mooren. Übrigens: Ich achte beim Erdekauf immer auf torffreie Blumenerde. Und jetzt das!
Ich begann zu recherchieren und stellte fest: Im Mardorfer Moor steht Europas größtes Blumenerdewerk. Selten habe ich eine derartige Doppelmoral in Sachen Umweltschutz erlebt. Auf der einen Seite des Weges erstreckt sich der touristische Moorerlebnispfad, der darauf hinweist, wie wichtig es ist, diesen Lebensraum zu schützen, auf der anderen Seite wird er zerstört.
Der Grund dafür liegt in den Schürfrechten für den Torf, die für lange Zeiträume erteilt worden sind und die man nicht einfach so rückgängig machen kann. Es müsste eine große, politische Entscheidung her.
Während Braunkohle, Kohle und Co. verboten sind, hat Moor wohl keine Lobby und wird noch immer ausgebeutet, weil die Poilitik nicht ins Handeln kommt. Und so gibt es Blumenerde statt Umweltschutz und die große Torfflächen werden wohl für immer verschwinden. Auch wenn sie renaturiert werden, ist das nicht dasselbe. Und was das für den Klimaschutz bedeutet, wenn die vielen Kohlenstoffe freigesetzt werden? Warum regen wir uns über den Amazonas auf, wenn bei uns vor der Haustür sehr Ähnliches passiert? Warum habe ich damals auf Rügen aufwändig das Moor mit vernässt, wenn Moore einfach weiterhin kaputt gemacht werden können? Ich verstehe das nicht.
Übrigens ist das nicht die einzige Ungereimtheit am Steinhuder Meer in Sachen Umweltschutz. Doch dazu an anderer Stelle mehr.
6. Mein Fazit für Mardorf
- Es ist schön, einen Tagesausflug dorthin zu machen.
- Die im Wasser stehenden Birken sind ein unvergleichlicher Anblick. Leider stehen sie auf dem Firmengelände der Blumenerdefirma und man kann sie schlecht fotografieren, ohne fremden Grund und Boden zu betreten.
- Der Moorerlebnisweg ist grade am Anfang sehr schön mit seinen Aussichtspunkten. Doch später stören die vielen Fahrräder.
- Für Autofahrer ist Mardorf schwierig. An Schönwettertagen sind gerne die Parkplätze (die sowieso kostenpflichtig und rar sind) überfüllt. Mit dem Auto ans Meer zu kommen, geht sowieso nicht, da die meisten Stichstraßen nur für Anlieger freigegeben sind.
- Die Sache mit dem Torfabbau und dem vielgeprisenen Schutz des Moores gährt in mir, was zulasten des Urlaubsgefühls geht und mich abschreckt.
7. Das Steinhuder Meer und ich 2.0
Das Steinhuder Meer und ich, wir werden wohl keine Freunde mehr. Es ist auf den ersten Blick eine hübsche Gegend, doch dort ist viel zu viel unklar und ungereimt, als dass ich es dort toll finden könnte. Es hat viel Potential, ein wunderbares Urlaubsziel zu werden. Doch dazu muss dort ein Bewusstseinswandel stattfinden. So ist es ein Ziel, das in den 1970er Jahren stecken geblieben ist. Es fehlt ein behutsames Gesamtkonzept, in dem man sich eindeutig zum Tourismus und Naturschutz bekennt, anstatt Kompromisse zulasten der Umwelt für die verschiedenen Interessengruppen einzugehen und das Meer einfach auszunutzen und zu konsumieren, wie es Generationen vor uns getan haben. Und Hinweisschilder und Doku-Tafeln, die Wichtiges ungesagt lassen – das geht für mich gar nicht.
4 Antworten
Toller Bericht und wunderschöne Fotos!! Aber wie erschreckend und deprimierend, dass vor unserer Nase so eine unglaubliche Klimasünde begangen wird, die hier endlich mal thematisiert wird!!
Danke, liebe Susanne, dass du es so sagst. Ich finde es au ch schrecklich. Und finde, Tirf für Blumenerde gehört verboten. Liebe Grüße
Oha, das wusste ich tatsächlich auch nicht. Ich kenne die Problematik aktiven Torfabbaus eher aus dem Nienburger Raum. Und aus Irland natürlich, wo mit Verweis auf die traditionsliebenden Touristen vielerorts noch mit Torf geheizt wird, obwohl es eigentlich verboten ist. Da ist wirklich die große Politik gefragt – und wir als Bürger:innen dabei, der auf die Finger zu gucken und Druck zu machen.
Was nehmen statt Torf? Alternative Erde ist auf Holz aufgebaut und enthält oft Trauermücken, weil das Holz nicht genug abgebaut ist.Wer kann, sollte mit Hilfe von Hummofix aus der Abtei Fulda einen Kompost machen. Der entsteht sehr schnell.
Am Steinhuder Meer finde ich bedeutend, dass die Sumpfschildkröte und der Nerz wieder dort wohnen.