Die Stadt Husum feiert gerade den 200. Geburtstag von Theodor Storm. Ein guter Anlass, um auf seinen Spuren zu wandeln und festzustellen: Der Dichter hatte es faustdick hinter den Ohren.
Theodor Storm? Das war für mich immer ein Dichter mit düsteren Aussagen. Er war bestimmt so ein strenger Herr, etwas spießig und mit rigiden Ansichten, so jedenfalls habe ich ihn mir als Kind vorgestellt, nachdem ich in der Schule über seinen Schimmelreiter nachdenken musste. Doch als in Husum Stadtführerin Heidelore Will vor dem Haus in der Süderstraße 12 stehenbleibt, muss ich meine Meinung ändern, vor allem als die grauhaarige Stadtführerin mir mit pikierter und doch amüsierter Mine eröffnet: „Theodor Storm war ein Filou. Er hatte fast 20 Jahre lang zwei Frauen parallel zueinander und das im kleinen Husum.“ Das erzählt sie, weil wir gerade vor dem Haus stehen, in dem Theodor Storms erste Ehefrau, seine Cousine Constanze, bei der Geburt ihres 7. Kindes gestorben ist.
„Noch im selben Jahr heiratete der Dichter seine langjährige Geliebte Dorothea. Mit ihr hatte er während seiner ganzen Ehe mit Constanze ein Verhältnis.“ Spannend, wussten denn die Frauen voneinander? „Aber ja“, sagt die Stadtführerin. „Als Constanze starb, bat sie ihn sogar, Dorothea zu heiraten, weil sie sich keine bessere Mutter für ihre Kinder vorstellen konnte.“ Eine Ehe zu dritt also hat der Dichter ganz inoffiziell geführt, den ich mir immer so spießig vorgestellt hatte – und das schon vor gut 150 Jahren. Doch der Reihe nach.
Wir stehen am Marktplatz und die Stadtführerin zeigt auf das rote Backsteinhaus mit der Nummer 9, in dessen Ladenzeile Uhren und Schmuck verkauft werden. „Sehen Sie dort das linke Fenster? Hier wurde Storm in der Gewitternacht des 14. September 1817 geboren“, erzählt Heidelore Will und zeigt mir auf einem alten Schwarz-Weiß-Foto, wie hübsch das Haus noch in den 1960er Jahren ausgesehen hat. Viel hübscher als dieser nüchterne Stil heute. Die Stadtführerin ist ein Pool aus Stormgeschichten und so legt sie gleich wie ein Wasserfall los: „Storms Geburt wurde später auf dem 15. September datiert, einen Tag später. Das hat den Dichter maßlos geärgert und er beantragt Änderung des Geburtsdatums. Seiner Mutter glaube er den Geburtstag, sie sei schließlich dabei gewesen.
Er wuchs in Husum auf, das Haus Neustadt 56 war Adresse seiner Jugendzeit ebenso wie die Hohle Gasse 3, als der Dichter bei seiner Großmutter wohnte. Er zog zum Studieren nach Kiel und Berlin und kehrte 1843 nach Husum zurück, um als Anwalt zu arbeiten. Als die Stadt Husum von den Dänen besetzt wird, ist der Dichter nicht bereit, der dänischen Krone eine Loyalitätserklärung abzugeben und emigiert nach Heiligenstadt in Thüringen, wo er bis 1864 lebt und wirkt. Dann kehrt er wieder nach Husum zurück, inzwischen Vater von sechs Kindern. Die Liebesbeziehung, die er kurz nach seiner Eheschließung mit der 11 Jahre jüngeren Dorothea begonnen hat, gibt er nie ganz auf und so heiratet er seine langjährige Geliebte und zieht mit ihr in die Wasserreihe 31, dem Haus, das heute Storm-Museum und Sitz und Archiv der Storm-Gesellschaft ist.
„Die Frauen“, so erzählt die Stadtführerin, als wir in das schmale Gässchen rückseitig des Hafens einbiegen, „scheint Storm nie so ganz gelassen zu haben.“ Und sie erzählt von ominösen Geschenken, die der Dichter oftmals von unbekannten Frauen bekommen habe. Der nahegelegene Hafen von Husum gehört heute sicherlich zu den Besucherattraktionen der Nordseeküste. Hier sitzen die Menschen in der Sonne oder kauen vorbeieilend auf ihrem Krabbenbrötchen herum. Nicht nur zum Thema Storm, auch zum Thema Krabben hat die Stadtführerin einen Tipp parat: „Man sollte nachfragen, wo die Krabben gepult sind, denn der Großteil geht noch per Flieger nach Marokko oder Polen und kommt dann gepult wieder.“ Die Husumer pulen meistens selbst und essen die Meerestiere am liebsten mit Schwarzbrot und Spiegelei. „Diese Fliegerei der Krabben, das ist doch ein Wahnsinn“, sagt Heidelore Will und schüttelt den Kopf. Inzwischen gibt es auch Pulmaschinen, die die Arbeit direkt an der Nordsee verrichten – dort, wo sie anfällt und keine ökologischen Auswüchse verursacht.
Sie zeigt mir das Schiffahrtsmuseum und das älteste Gasthaus der Stadt – Dragseth’s, das friesische Kost schon seit 1584 serviert. Sie zeigt mir das edle Hotel „Altes Gymnasium, das in der ehemaligen Gelehrtenschule untergekommen ist und erzäht mir beim Stormhaus schließlich ein wichtiges Detail. Emil Nolde und Theodor Storm kannten sich und Nolde hat als Bildhauer den Schreibtisch des Dichters verziert. „Gespendet übrigens von unbekannten Verehrerinnen“, sagt die Stadtführerin und grinst vielsagend. Von der Wasserreihe geht es durch die Hohle Gasse in die Neustadt, in der sich heute viele kleine Läden niedergelassen haben und man nicht nur eine prima Runde shoppen kann, sondern auch ein wunderbares Kino erlebt: Ganz im nostalgischen Stil ist das Kino in Husum gehalten, sogar mit Bedienung an den Sitzen.
Der Aufenthalt wurde unterstützt von Nordseetourismus – danke dafür.
3 Antworten
Ein wunderbarer Bericht von Husum und Theodor Strom und die Fotos sind bei so schönem Wetter echt klasse
LG Andrea
Danke, liebe Andrea, das freut mich sehr. Husum ist toll, ja, Theodor hat mich eher etwas überrascht 🙂
Liebe Grüße
Andrea
In Husum war ich leider noch nie. Es ist ein wunderschönes Städtchen, danke für den Bericht und die Bilder.
Liebe Grüße,
Lilo