Es gibt Orte, da schaudert es einen spontan. Das Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo ist so ein schauriger Platz, denn er erzählt von der Hexenverfolgung im Mittelalter.
Lemgos Sehenswürdigkeiten
Lemgo gilt als hübsches Fachwerkstädtchen im Teutoburger Wald. Und das ist es auch mit seinen teilweise schiefen Häusern, den eng gebauten Fassaden und dem sonnigen Marktplatz. Dass die Stadt einst ein Zentrum der Hexenverfolgung war, merkt man ihr auf den ersten Blick gar nicht an. Da sind so wunderbare Häuser wie etwa das Planetenhaus in Lemgo, in dessen Fachwerk Mensch gewordenen Versionen der Planeten wie Saturn oder Jupiter als Schnitzwerk zu sehen sind.
Eine Einkaufsstraße mit kleinen Läden in den alten Häusern und hin und wieder auch Ableger der großen Ketten. Da ist das schöne Schloss Brake, malerisch am Fluss gelegen und mit einer echten Mühle. Ein wunderbarer Ort für einen Frühlingstag mit draußen sitzen vor dem Rathaus und den Menschen beim Heiraten zuzuschauen. Doch keine Sehenswürdigkeit ist derart oft ausgeschildert gewesen wie das Hexenbürgermeisterhaus also zog es uns auch direkt dorthin. Immerhin hatte es ja auch einen überaus reizvollen Namen.
Hexenverfolgung in Lemgo
Es ist ein wirklich sehenswertes Gebäude von außen mit seiner reich verzierten Fassade. Kaum aber waren wir drinnen, erfuhren wir: Es geht in diesem Haus um die Hexenverfolgung, die im Teutoburger Wald im 15. Jahrhundert besonders stark stattgefunden hat. „Zur Kernzone der Hexenverfolgung in Mitteleuropa gehörte die Grafschaft Lippe“, lese ich dort und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Und in just diesem Haus wohnte ein besonderer glühender Anhänger der Theorie, dass Hexen das Handwerk gelegt werden sollte: Bürgermeister Herrmann Cothmann wohnte von 1661 bis 1683 im Hexenbürgermeisterhaus und hat viele Menschen mit dem Todesurteil belegt, weil sie Schadenszauber eingesetzt oder gar den Pakt mit dem Teufel eingegangen sein sollten. Das Unglaubliche daran: Cothmanns Mutter selbst war 1654 wegen Hexerei angeklagt und hingerichtet worden.
Fassungslos stehe ich davor und muss diese Information zweimal lesen, dass er als Sohn eines Opfers tatsächlich der wohl besessenste Hexenjäger seiner Zeit war. Im Jahre 1666 (einer etwa unheimlichen Zahl, schließlich kann man in die dreifache Sechs viel hineininterpretieren, wie auch Wikipedia schreibt) wurde er zum Direktor des Prozesses gegen Unholde und Hexen.
Dabei hat er auch seinen Nachbarn angeklagt sowie diverse Frauen. Viele der Anklagegründe sind im Hexenbürgermeisterhaus dokumentiert. Heute würde man sie wohl als typische Nachbarschaftsstreitigkeiten verbuchen, wenn Frauen fluchen, schimpfen oder eben Schadenszauber machen. Was genau Schadenszauber sind, das wird im Hexenbürgermeisterhaus Lemgo leider nicht genauer erklärt. Vermutlich handelt es sich um die damals allgemein gefürchtete Form der Schwarzen Magie, die sich der Flüche, Zaubersprüche und Rituale bedient hat. Ob allerdings die Angeklagten tatsächlich schuldig waren, bleibt zu bezweifeln, denn sie wurden mit diesen Folterinstrumenten zu Geständnissen gezwungen und anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Nach so viel grausamer Geschichte, die passenderweise vor allem im Keller des Hexenbürgermeisterhauses in Lemgo zu sehen ist, geht es im weiteren Teil des Hauses eher um die Geschichte der Stadt. Es ist Leinen zu sehen, das in Lemgo gefertigt wurde und Meerschaumpfeifen, die ebenfalls in Lemgo hergestellt worden sind. Als ich gerade das blaue Fenster des Hauses bewundere, höre ich meine Freundin, mit der ich unterwegs bin, kurz aufschreien: Igitt! Es kommt aus einem der hinteren Zimmer. Sie steht entsetzt vor einem riesigen Krebs, der wohl an Japans Küste vorkommt. Seine Beine sind bestimmt knapp zwei Meter lang. „Stell dir vor, du triffst soetwas am Strand“, sagt sie und mir schaudert es wieder. Die japanischen Riesenkrabben sind die größten ihrer Art.
Der Lemgoer Naturforscher Engelbert Kaempfer hat sie bei seinen Forschungen 1690 entdeckt und mit nach Deutschland gebracht. In der Zeit, in der die Hexenprozesse in seiner Stadt auf Hochtouren liefen, reiste er von Rußland über Japan und Afrika um die Welt, viele seiner gesammelten Stücke befinden sich heute im Britischen Museum in London. Einige aber haben es auch nach Lemgo geschafft, ebenso wie der Spruch, den er geprägt hat – und den ich erstaunlich finde für einen Mann, der inmitten dieser Zeit der Vorurteile und Intoleranzen gelebt hat: „Wir Menschen sehen alle eine Sonne, treten alle eine Erde, atmen alle eine Luft, keine Grenzen der Natur, keine Gesetze des Schöpfers trennen uns voneinander.“ Gegensätzlicher können die Meinungen aus einer Stadt und einem Zeitalter kaum sein, wie sie in diesem Haus vereint sind.
Information Hexenbürgermeisterhaus
Das Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo liegt in der Breiten Str. 19 und hat dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, die Betreiber freuen sich über freiwillige Spenden. Ein FIlm führt die Besucher in das Thema ein. Im zweiten Teil des Hauses befindet sich ein kleines Stadtmuseum. Auch der Garten ist begehbar. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite: www.hexenbuergermeisterhaus.de
Sehenswürdigekeiten in Lemgo
- Neben dem Hexenbürgermeisterhaus gibt es noch andere Sehenswürdigkeiten in der Stadt. Etwa den Stein des Anstoßes an der Nicolaikirche, der an die letzte angeklagte „Hexe“ erinnert. Es war Maria Rampendahl, sie sich tapfer der Folter widersetzte und die Anklage auch überlebte.
- Das Planetenhaus in der Mittelstraße lohnt den Blick nach oben auf die besonderen Schnitzereien im Fachwerk.
- Das Junkerhaus (Hamelner Str. 36) ist nicht nur von außen hübsch anzusehen, sondern beherbergt auch noch eine Kunstsammlung mit Werken von Karl Junker.
- Das Rathaus mit seiner reich verzierten Laube ist ebenso ein schöner Blickfang in der Innenstadt.
- Der stumpfe Turm (Herforder Straße, Ecke Steinweg) beherbergt die wohl älteste Kirchenglocke der Region.
- Das Schloss Brake mit seinem schönen Wassergraben, dem Weserrenaissancemuseum und der Ölmühle am rauschenden Bach ist ein hübsches Ziel etwas außerhalb der Stadt.
2 Antworten
sehr schöne Stadt und mit der Hexenverbrennung läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Es ist schon unglaublich was sich da manche für Folterinstrumente einfallen ließen und die Menschen zu quälen. Dann leben wir doch lieber in der heutigen Zeit !!!!! LG Manni
Lieber Manni, ja, das tun wir wirklich. Hier kann uns niemand mehr auf den Scheiterhaufen bringen, weil er behauptet, wir hätten seine Hühner vehext. Ich fand das sehr beklemmend. Die Geschichten um die Hexenverbrennungen und Verfolgungen sind wirklich furchtbar, ich war froh, als ich wieder an der Sonne war. Die wünsche ich dir nun auch! Liebe Grüße