Schwimmen geht nur im Sommer? Pah! Ich mag Winterbaden. Es ist wie Sauna – nur andersrum. Tipps und Infos zum Winterbaden.
1. Baden im Oktober?
Es ist Mitte Oktober. Die Blätter an den Bäumen sind gelb, eine leichte Nebelschicht liegt über meinem Lieblingssee. Draußen sind es 11 Grad, dicke-Jacken- und Mützen-Wetter. Doch nicht für uns. Wir gehen schwimmen. Anbaden im Oktober, üben fürs Winterschwimmen. Ja, sind wir eigentlich irre? Das habe ich mich oft gefragt. Doch wir haben gute Gründe, uns dann ins Wasser zu begeben, wenn alle anderen längst am Kamin sitzen. Und nein – ich möchte hier nicht schreien, wie toll und mutig ich bin, weil ich mich in dieses kalte Wasser traue. Ich möchte mit diesem Beitrag eher Mut machen, Dinge auszuprobieren, die man sich sonst vielleicht nicht traut.
2. Galsan Tschinag und die Kältetheorie
Alles fing mit einem Besuch bei – was auch sonst bei mir – einem Schamanen an. Ich war letztes Jahr um diese Zeit bei Galsan Tschinag. Der mongolische deutschsprachige Autor und vor allem Poet hat mich schon sehr lange fasziniert mit seiner Biografie und seinen Werken und endlich hatte ich die Möglichkeit, ihn auch zu erleben. Es war im Gemeinschaftshaus eines Dorfes nördlich von Hannover, in dem er nicht nur sprach, sondern auch Hand auflegte und uns seine Gedanken dazu nahebrachte, was uns krank macht und was uns stärkt. Zwei Dinge sind mir dabei sehr tief zueigen geworden.
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- Galsan meint, bei uns würde viel zu wenig gesungen. Da hat er irgendwie Recht. Meine französische Herzensfreundin sagte mal: Wenn man singt, betet man zweimal. Und es heißt auch, wenn man singt, hat die Angst keinen Platz. Singen löst also eine ganz bestimmte Frequenz im Körper aus.
- Galsan betrachtet die Kälte als Geschenk und meint: „Warum leben die Menschen im Norden länger und sehen länger frisch aus?“ Seiner Meinung nach ist die Kälte das Geheimnis. Er ermuntert uns, uns an unangenehm feuchten Frosttagen nicht nur drinnen zu hocken, sondern so lange wie möglich sich der Kälte zu stellen. Das härtet ab und stählt den Körper – so meint es jedenfalls der mongolische Schamane.[/su_list]
3. Premiere zum Neujahrsschwimmen
Seitdem trainiere ich meinen Körper, Kälte besser auszuhalten. Irgendwann kam ich mit meinem besten Freund auf das Thema Kälte zu sprechen und er erzählte mir ganz euphorisch von seinen winterlichen Schwimmtouren. Da hatte er mich angefixt und wir verabredeten uns, gemeinsam ins Neue Jahr zu schwimmen. Es war zwar mehr ein Stehen, da eine leichte Frostschicht auf dem Wasser lag und mein erster Impuls war, schnell rauszulaufen. So standen wir dort und er zeigte mir, wie ich mit Atemtechnik meine Panik lösen konnte. Es hatte funktioniert und war eines der schönsten Erlebnisse im Winter.
Ja, es war eine der größten Überwindungen, die ich je über mich gebracht habe, aber es hat sich gelohnt. Denn als wir wieder draußen waren, strömte ein unvergleichbares Glücksgefühl durch den Körper. Pure Euphorie eben, ausgelöst durch das Adrenalin und die Stresshormorne, da mein Körper ja glaubte, er müsse jetzt den Kältetod sterben.
Dieses auf das Baden folgende Glücksgefühl hat mich nicht nur einige Stunden, sondern noch Tage danach getragen. Oder vielleicht war es auch nur der Stolz auf mich selbst, mich derart überwunden zu haben. Ganz tiefes Vertrauen in mich habe ich gewonnen, mitten im tiefsten Winter, der nicht nur im Außen dunkel war.
Wir wollten dann öfter Winterschwimmen, doch irgendwie haben wir es dann nicht mehr geschafft. Ich war auf Reisen oder er und dann kam schon Corona und alles war anders. Doch diesen Winter ziehen wir das durch! Zu zweit. An meinem Lieblingssee. Denn allein winterschwimmen zu gehen, ist keine gute Idee, da man immer jemanden an der Seite haben sollte, falls doch etwas passiert und der Kreislauf kollabiert oder so.
4. Gründe für Winterschwimmen
Winterschwimmen ist gar nicht so exotosch wie es klingt, für viele Nordvölker ist es sogar das Normalste der Welt. In Sibirien und in weiten Teilen Russlands etwa geht man auch bei Eis ins Wasser, ebenso wie in vielen skandinavischen Ländern oder auch in den Alpen. Was aber sind die Gründe dafür?
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- Winterschwimmen verengt zunächst die Gefäße auf der Haut, kurz darauf aber weiten sich die Gefäße wieder, da der Körper nun auf Hochtouren eigene Wärme produziert und dafür Kohlenhydrate in Wärme umwandeln. Im Inneren zirkuliert das Blut schneller und durchblutet die Organe intensiver
- Das führt zu einer Stabilisierung des Kreislaufs
- Die Leukozyten im Blut nehmen beim Eisbaden stark zu und helfen, Entzündungen zu verhindern.
- Der Testosteronspiegel erhöht sich während des Winterbadens
- Die extrem niedrige Temperatur macht dem Körper Stress und er reagiert mit Adrenalin, schüttet zudem Kortikoide sowie Endorphine aus
- Nach dem Rauskommen aus dem Wasser prickelt es angenehm auf der Haut, der Körper pulsiert und es breitet sich eine Hochstimmung aus. Vielleicht auch deswegen, weil man seine Ängste überwunden hat.
- Eisbaden gibt Gute-Laune-Kicks, perfekt für die dunkle Jahreszeit, die ja gerne auch mal Depressionen hervorruft.
- Die Seen sind viel frischer, sauberer und erholter und nicht so abgelebt wie im Sommer. Es ist, als würde sich das Wasser im Winter erholen für die Sommersaison. [/su_list]
5. Winterschwimmen und die gesundheitlichen Auswirkungen
Welche Auswirkungen hat das Winterbaden auf die Gesundheit? Da sind sich Ärzte nicht so ganz einig. Manche sagen, es stärke die Abwehr und auch die Psyche. Sicher aber sind sich die Mediziner in ihren Warnhinweisen: Wer Kreislaufprobleme oder Herzprobleme hat, sollte ebensowenig ins eisige Wasser gehen wie Menschen, die grade eine Krankheit durchgestanden haben. Im letzten Fall besser noch warten.
Eigentlich ist Winterbaden tatsächlich wie Sauna anderherum. Dieses Schwitzen dort kostet mich auch Überwindung, warum sollte es mit Kälte nicht auch gehen? Während ich nach der Sauna aber immer schnell runterkühle, passiert nach dem Winterschwimmen das Gegenteil: Mein Körper heizt sich auf und das ist grade im Winter besonders schön.
6. Tipps fürs Winterschwimmen
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- Langsam ins Wasser gehen, nicht reinspringen oder schnell hineinlaufen, sondern eher langsam und bewusst, sonst ist die Gefahr des Kollapses zu groß.
- Vorher aufwärmen, ein paar sportliche Übungen sind eine gute Idee, um den Kreislauf anzuregen.
- Die Hände sollte aus dem Wasser gehalten werden, sonst ist der Wärmeverlust zu groß.
- Der Kopf sollte niemals untergetaucht werden, eher mit einer Mütze geschützt werden, um Wärmeverlust zu verhindern.
- Man sollte sich langsam rantrainieren und möglichst im Sommer schon anfangen und dann einfach nicht aufhören, regelmäßig im See schwimmen zu gehen, bis in den Herbst und Winter hinein.
- Wenn es sehr kalt ist (Eisbaden) sollten an den Füßen Neoprenschuhe getragen werden.
- Nach dem Baden nicht schnell unter die heiße Dusche, sondern ganz langsam aufwärmen. Gründlich abtrocknen, dann in die warme Kleidung und langsam zurück ins Warme gehen. Bloß nicht schnell aufheizen!
- Nie länger drinbleiben als das Wasser Temperatur hat, also bei 6 Grad höchstens 6 Minuten. Bei 0 Grad nur einige Sekunden. Kritisch wird es bei Untrainierten generell bei mehr als 5 Minuten, dann besteht die Gefahr der Unterkühlung.
- Niemals allein zum Winterbaden gehen, sondern immer in Begleitung, falls doch etwas passiert.
- Bei körperlichen Alarmsignalen wie Hyperventilation, Herzschmerzen oder Herzrhythmusstörungen oder Panik schnell wieder aus dem Wasser kommen.
- Winterbaden sollten nur körperlich gesunde und fitte Menschen, wer Herz- oder Kreislaufprobleme hat, sollte das Wagnis lieber lassen oder wenigstens ärztlichen Rat vorher suchen. [/su_list]
Falls Ihr es auch ausprobieren wollt, aber Zweifel habt, ob Eure Gesundheit das mitmacht, dann heißt es wie immer: Ab zum Arzt und vorher fragen, bevor man das Wagnis startet.
2 Antworten
Liebe Andrea,
danke für den inspirierenden Beitrag.
Bis vor kurzem wäre ich nicht auf die Idee gekommen, bei frostigen Temperaturen in den See zu waten. Deine Erfahrungen und Gedanken zum Thema machen Lust auf dieses Abenteuer. Mit Deinen hilfreichen Tipps könnte es was werden.
Ob ich mich irgendwann traue, weiß ich noch nicht. Ich taste mich heute mal mit einer kalten Dusche ran.
Liebe Grüße und einen guten Start ins neue Jahr
Mandy
Andrea 26.11.2021
Hallo liebe Andrea!
Heute war ich mit einem Freund Winterbaden mit einer anschließenden kleinen
Wanderung zum Warmlaufen.
Ich stimme Dir voll zu, Winterbaden macht glücklich, besonders in Gesellschaft.
Da ich nicht weit nach draußen schwimme, gehe ich auch manchmal allein.
Ich kenne das Frieren, wenn man vom Saunieren nach Hause kommt,
Winterbaden dagegen liefert gute Nachwärme.
Danke für Deinen Artikel. Mit herzlichen Grüßen
Andrea