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Ägypten nachhaltig bereisen

Inhaltsverzeichnis

Wer das Land der Pharaonen bereisen will, hat ungeahnt viele Möglichkeiten. Einige nachhaltige Ideen, um Ägypten zu bereisen, haben wir hier zusammengetragen.

Öko-Tourismus in Ägypten

Lautlos gleitet das Kanu durch das Wasser des Nils. Nur ein paar Paddelschläge entfernt steht ein Ibis am Ufer einer Insel, beäugt den ungewohnten Besucher eine Zeitlang und flüchtet dann. Plötzlich geben die haushohen Granitfelsen den Blick auf den Philae Tempel frei. Die sandsteinfarbenen Säulenreihen und altägyptischen Pylonen mit ihren eingemeißelten Reliefs spiegeln sich im sanften Licht der untergehenden Sonne im Wasser. Es ist ein weiterer magischer Moment dieser von der gemeinnützigen Tui-Care-Stiftung vorgeschlagenen nachhaltigen Reise durch Ägypten.

Arbeiten im Kamillenfeld: Eine Fraueninitiative verhindert die Landflucht in einer Oase nahe Kairo

Doch wie realistisch ist es, das Land am Nil – abgesehen von der Anreise mit dem Flugzeug – auf ökologische Art zu besuchen und damit zur Nachhaltigkeit beizutragen? Wir haben es ausprobiert im Rahmen einer individuellen Tour, wie sie der Öko-Tourismus-Pionier Rove Egypt organisiert. Seine Touren, die einheimische Anbieter und kleine regionale Unternehmen einbinden, führen rund um Kairo und den Nil entlang bis nach Assuan.

Madina Hostel statt Hotel

Eine erste Möglichkeit, die Menschen vor Ort zu unterstützen, bietet ein kleines Guesthouse in Kairo, nur zwei Gehminuten vom Ägyptischen Museum entfernt. Auch die großen Hotelketten sind rund um das Museum vertreten, tausende Touristen checken täglich ein und wieder aus und bezahlen ihre Rechnungen. Wie viel Geld davon den Einheimischen zugute kommt, ist unklar. Im Madina Hostel dagegen bleibt jedes ägyptische Pfund im Land. Moderne Globetrotter, Geschäftsleute und Familien, die Wert auf schnelles Wlan, einen ordentlichen Kaffee und einen coolen Aufenthaltsraum legen, übernachten hier hoch über den Dächern der Stadt. Auch Stadtbesichtigungen zu Fuß, Kneipen- oder Restauranttouren in Begleitung von Einheimischen oder Radtouren sind Teil des Konzepts. Im Frühjahr 2020 hatte Mostafa Nasr das Guesthouse mit seinen 14 Zimmern eröffnet. Dann kam Corona und alles stand still. Erst seit knapp einem Jahr geht es wieder aufwärts.

Auch Mohamed Aboelzam, ein Pionier von Öko-Touren in und um Kairo, litt mit seinem Unternehmen Rove Egypt unter dem Besucherschwund. Am Ende half Geld aus Deutschland, um diese Zeit zu überstehen. Denn bereits in der Anfangsphase der Pandemie hatte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das Tourism Recovery Programme ins Leben gerufen, um das zarte Pflänzchen des nachhaltigen Tourismus in Ägypten nicht verwelken zu lassen. 50 kleine und mittlere Unternehmen wurden dafür von der gemeinnützigen Berliner Organisation enpact ausgewählt. Während das Ministerium finanzielle Unterstützung gewährte, vermittelte die konzernunabhängige Stiftung „Tui Care Foundation“ kostenlose Schulungen, um die häufigsten Fehler bei der Arbeit mit Touristen zu vermeiden. Ein wichtiges Thema war beispielsweise, die von den Urlaubern so gefürchteten Magen-Darm-Probleme zu verhindern.

Original ägyptisches Frühstück

Zuerst werden die Touristen mit einem ägyptischen Frühstück verköstigt, danach beginnt für die Frauen die Arbeit auf dem Kamillefeld. Foto: Gerhard Von Kapff

Auch Hayam Hefnawy hat diese Tipps für ihr original ägyptisches Frühstück unter Olivenbäumen erhalten. Die 56-Jährige lächelt so selig, wie eine Frau eben lächeln kann, wenn ihre Lebensaufgabe zu gelingen scheint. Während sie frisches Fladenbrot, Kofta-Hackbällchen, Oliven, Hummus, Joghurt und andere Dips serviert, setzen sich die Gäste in der Oase Fayum auf die Bodenkissen rund um den niedrigen Tisch. „Als ich vor 23 Jahren dieses Grundstück hier vom Staat bekommen habe“, erzählt Hayam, „war alles noch Wüste.“ Heute beschäftigt sie auf dem Olivenhain mit dem Frühstücksangebot und dem nebenan liegenden Kamillentee-Feld elf Frauen aus dem nahen Dorf.

Mohamed Aboelzam, der die Öko-Touren organisiert, weiß wie nachhaltig und wichtig solche Initiativen sind: „Das Geld, das die Frauen hier verdienen können, verhindert langfristig die Landflucht. Sie müssen nicht aus dem Dorf wegziehen, um Geld zu verdienen.“ Ein bis zwei Tage dauern die Öko-Touren von Rove Egypt rund um Kairo und in die Oase Faiyum.

Bootsfahrt auf dem Wadi El Rayan-See

Bootsausflug der anderen Art. Die Fischer verdienen sich ein wichtiges Zusatzeinkommen, wenn sie Touristen über den Wadi El Rayan-See bei der Oase Faijum bei Kario rudern. Foto: Gerhard von Kapff

Zu einem emotionalen Erlebnis wird die Bootsfahrt auf dem Wadi El Rayan-See. Vier sonnengegerbte Fischer, die das Zusatzeinkommen durch die Gäste gut gebrauchen können, rudern den rustikalen Kahn mit seinen archaischen Paddeln auf den See hinaus. Die ruhige, fast meditative Annäherung an die karge Landschaft und die Tierwelt mit dem Ruderboot, lässt alle Gespräche verstummen. Fast schon magisch wird es, als plötzlich Hunderte Flamingos mit ihren zartrosa Flügeln aus dem See aufsteigen.

Bahnfahren in Ägypten

Nach Assuan, dem Ausgangspunkt für den Besuch der Felsentempel von Abu Simbel, reisen die meisten Touristen per Flugzeug weiter. Einen viel geringeren ökologischen Fußabdruck hinterlässt, wer mit dem Zug reist. Die Bahnfahrt in den bequemen Abteilen des Expresszuges entlang des Nils ist eines der unvergesslichsten Erlebnisse in Ägypten – auch wenn sie gut 13 Stunden dauert.

Guesthouses aus Lehm

Von den Vätern und Grußvätern aus Lehm gebaut sind die Gästezimmer. Sie erhielten für ihren nachhaltigen Ansatz eine Auszeichnung der Vereinten Nationen. Foto: Gerhard Von Kapff

Auf den Nil-Inseln in der Nähe von Assuan haben sich etliche Guesthouses auf individuell reisende Touristen eingestellt. Absolute Ruhe findet man aber vor allem auf den Inseln der gewaltigen Wasserfläche zwischen dem alten und dem neuen Nil-Staudamm. Eines der interessantesten Öko-Projekte dort erhielt für seine nachhaltige Entwicklung eine Auszeichnung der Vereinten Nationen: Auf der Insel Bigeh direkt gegenüber dem Philae-Tempel baut der Ägypter Taha Al Abady ein verfallenes nubisches Dorf zum Öko-Guesthouse Eco Nubia um. Zehn der aus Lehm errichteten Gebäude wurden bereits renoviert, verfügen über Balkone oder Terrassen, geräumige Schlafzimmer und eigene Bäder. Wer mag, der kann an dem kleinen Strand sogar im Nil schwimmen. Oder mit dem Kanu um den Philae-Tempel paddeln.

Phantastische Stimmung im letzten Licht des Tages:
Mit dem Kanu unterwegs zwischen den beiden Assuan-Staudämmen und mit Blick auf den altägyptischen Philae Tempel. Foto: Gerhard von Kapff

Auch das Konzept des angeschlossenen Restaurants ist so nachhaltig wie schlüssig: „Wir pflanzen möglichst viel hier auf der Insel an“, sagt Taha Al Abady, der Besitzer des Guesthouses: „Das senkt die Kosten und wir haben keine Transportwege.“ Die kleine Landwirtschaft im hinteren Teil des Eilands produziert auch Eier, Milch und Fleisch. Da die Gäste ihr Abendmenü bis 17 Uhr auswählen müssen, werden außerdem kaum Nahrungsmittel weggeworfen.

Ist die Szenerie schon tagsüber auf der Terrasse des rustikalen Restaurants ein wenig unwirklich, so wird sie nachts magisch. Spätestens nach dem Ende der Lichtshow im Philae-Tempel, wenn nur noch der Mond die altägyptischen Bauten und Statuen beleuchtet, scheint die Welt zur Ruhe zu kommen. Keine abendliche Show ist nötig, keine Animation: Das Wasser des Nils, die Natur und die jahrtausendealten Tempel sind Entertainment genug. Man könnte auch die ganze Nacht sitzen bleiben und einfach nur staunen.


Anreise: Egyptair fliegt ab 380 Euro von München und Frankfurt nonstop nach Kairo. Lufthansa ab 369 Euro. Der Transfer in die Innenstadt zum Tahrir-Platz kostet mit dem Taxi gut 20 Euro und dauert je nach Verkehr mindestens 30 Minuten. Günstiger sind Linienbusse, die etwa vier Euro kosten, aber mindestens eine Stunde benötigen.

Anreise und Touren

Öko-Touren: Der Veranstalter Rove Egypt organisiert Reisen wie die oben geschilderte individuell oder für Gruppen. Der Schwerpunkt liegt auf der Nachhaltigkeit. Street 313, El-Basatin Sharkeya, El-Basatin, Cairo Governorate 4234412, Ägypten. Tel. +20/111/0650099. www.facebook.com/RoveEgypt/, E-Mail: info@roveegypt.com.

Baden im Nil ist möglich, wenn auch relativ kalt: Ein kleiner Badestrand auf der Nilinsel unterhalb dieses Plateaus ermöglicht das Plantschen in tiefblauem Wasser. Foto: Gerhard Von Kapff

Unterkunft: 
Kairo: Das Madina-Hostel direkt gegenüber dem Steigenberger Hotel bietet im zehnten Stockwerk saubere und moderne Zimmer, teils mit Balkon. Für Allergiker interessant: Die Küche darf auch von den Gästen genutzt werden. Auf Anfrage werden klimaneutrale Programme wie Kochkurse oder Besichtigungstouren zu Fuß organisiert. Preise: Im Mehrbettzimmer ab sieben Euro, Doppelzimmer kosten ab 32 Euro. www.madinahostel.com
Assuan: Das Eco Nubia Guesthouse besticht mit seinem überwältigenden Blick vom Restaurant auf den Philae-Tempel. Die Zimmer in den restaurierten Lehmhäusern sind rustikal, aber sauber und vermitteln einen Eindruck vom Leben der einstigen Dorfbewohner. Mit Nil-Badestrand und Kanuverleih. Preise pro Zimmer: Ab 76 Euro inklusive einem ausgezeichneten ägyptischen Frühstück. www.facebook.com/econubia

Nächtlicher Zauber: Die Restaurantterrasse des Ego Nubia in Luxor ist vor allem in der Dunkelheit ein magischer Ort. Foto: Gerhard Von Kapff

Restaurants

Essen und Trinken: 
Kairo: Das Madina-Hostel bietet eine geführte Bar-Tour durch Kairos Altstadt an. Schräg gegenüber dem Hostel befindet sich das LE Grillon Restaurant & Garden Cafe (8 Kasr Al Nile), in dem neben ausgezeichneter ägyptischer Küche auch alkoholische Getränke serviert werden. 
Assuan: Das Restaurant im Eco Nubia bietet geschmacklich ganz hervorragende ägyptische und nubische Küche zu fairen Preisen, es wird aber kein Alkohol ausgeschenkt. Eine Legende ist das Old Katarakt-Hotel in Assuan. Den Sonnenuntergang von der Terrasse aus kann auch genießen, wer nicht essen, sondern nur einen Cocktail oder einen Kaffee trinken möchte.

Allgemeine Hinweise:
Ägyptische Bahntickets gibt es auf der Internetseite www.enr.gov.eg. Über den „Englisch“-Button kann man die Schriftzeichen wechseln.

Offenlegung: Der Autor recherchierte mit Unterstützung der Tui Care Foundation und enpact, der gemeinnützigen Organisation zur Förderung des Unternehmertums.

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Hallo! Ich bin Andrea Lammert. Als Wegreisende, Bücherschreibende und Bloggerin bin ich stets auf Achse.

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