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Warum ich Bahnfahren mag

Bahnfahren
Inhaltsverzeichnis

Reisen besteht ja nicht nur aus ankommen, sondern auch aus dem Weg dorthin. Der kann vor allem beim Bahnfahren auch ganz besondere Momente haben. Trotz aller Unwägbarkeiten gibt es vieles, was ich am Bahnfahren auch toll finde.Wie oft wollte ich Kraniche sehen. Und wenn es soweit war, hat es nicht geklappt: Das Wetter war nicht gut, die Kraniche schon wieder an anderer Stelle oder meine ornithologische Begleitung hatte geschwächt. Kurz – es ist nie zustande gekommen. Dabei ist es tatsächlich noch etwas, was ich unbedingt machen möchte: Auf Kranichpirsch gehen. Höre ich sie doch jeden Frühling über unser Haus gen Norden ziehen und dabei so unnachahmlich laut plappern. Und dann sehe ich Kraniche, hinter Ribnitz-Damgarten standen sie auf einem Feld und ich saß in der Bahn. Zwei Stück standen dort ganz nah an unserer Strecke und der Zug fuhr langsam genug, dass ich sie bewundern konnte.

Das ist genau das, was ich am Bahnfahren mag: Rausschauen und sehen, wie die Natur an mir vorbeifliegt. Natürlich am liebsten im ICE, aber manchmal auch im kleinen Regionalexpress, etwa nach Norddeich Mole, als ich nach Juist gefahren bin. Und wie schön ist es, auf den kleinen Bahnhöfen unterwegs die Menschen zu beobachten, wenn sie warten, sich dann so offensichtlich freuen, wenn sie ihre Liebsten in der Menge erspähen. Sich in die Arme fallen. Da werden so viele Emotionen frei, so viel Freude und Wiedersehensglück. Auf Flughäfen und großen Bahnhöfen ist es viel zu hektisch dafür.

BahnfahrenBahnfahren ist dieses Gefühl, durch die Landschaft getragen zu werden, gut und sicher zu sitzen und Zeit für mich ganz allein zu haben. Zum Schreiben, so wie jetzt. Oder einfach zum Träumen und Nachdenken. Das geht beim Autofahren nur bedingt, weil ich dann entweder mit dem Fahren und der Konzentration so beschäftigt bin oder wenn wir als Familie reisen, dann komme ich auch nicht zum Nachdenken.
So bedeutet Bahnfahren ist tatsächlich Zeit für mich, wenn ich mich in meine kleine Seifenblase begebe, Kopfhörer aufsetze und einfach mal fühle, wie es mir geht. Das kommt im Alltag sowieso viel zu kurz. Zugfahren hat etwas Besinnliches und fast Meditatives für mich. Wenn es denn läuft. Das tut es ja leider nicht immer.
Manchmal hat es auch etwas Herausforderndes. Etwa neulich, als ich nach vielen Reisestunden von Berlin nur noch nach Hause wollte, aber leider direkt vor einer Horde grölender, junger Männer saß. Da halfen auch keine Kopfhörer, der Biergeruch durchdrangt den ganzen Wagen. Ich habe meinen Computer ausgepackt und Bilder sortiert. Und hatte plötzlich einen der Biermänner als Zuschauer durch den Spalt im Sitz. Wir kamen ein wenig ins Gespräch, bevor er schließlich schläfrig wurde vom ganzen Bier.

Ich mag diese Gespräche mit Fremden, die sich im Zug mitunter ergeben. Man sitzt dort und spricht mit wildfremden Menschen über Themen, die sie eigentlich gar nichts angehen. Vielleicht weil es so schön anonym ist, dass man sich wiedertrifft (und wiedererkennt) ist höchst unwahrscheinlich. Reisen besteht ja nicht nur aus ankommen und schönen Erlebnissen, sondern immer auch aus dem Weg dorthin.

BahnfahrenUnd auch der kann zum Erlebnis werden. Etwa wenn der Zug über die Brücke nach Rügen rollt. Oder wenn der ICE auf der Fahrt nach Kopenhagen auf die Fähre rollt. Erstaunlich, wie er dort hineinpasst. Damals schneite es wie verrückt, der Wind verwehte den Schnee so, dass alle Angst hatten, die Strecke würde gleich gesperrt. Mit dem Auto geht sowas nicht so entspannt. In der Bahn fühlte ich mich sicher und war fasziniert von dem tiefen Schneegestöber.

Besonders ist auch die Anreise nach Sylt. Wenn der Zug das Auto dann Huckepack nimmt und der paradoxe Moment des Gefahrenwerdens mit Auto entsteht. Man sitzt am Steuer und kann man nichts tun. Da kommt Ferienstimmung auf, vielleicht, weil es so ein so offensichtlicher Bruch mit Stress der Anreise ist. Hinsetzen, fahren lassen. Hinunterrollen auf die Insel und der Urlaub beginnt.

Ja, klar, hat die Bahn Verspätungen – darüber kann ich mich auch furchtbar aufregen und werde zornig, wenn es mich mal wieder trifft. Und in überfüllten Zügen sitze ich auch nicht gern. Aber wenn ich im IC nach Rügen sitze, dann entspannt mich tatsächlich schon die Anreise, weil ich mich da einfach mal auf mich besinnen kann.

Übrigens: Dieser Artikel ist nicht gesponsort oder irgendwie finanziert, das wollte ich immer schon mal schreiben.

 

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7 Antworten

  1. Wenn ich mit der Bimmelbahn zu meinen Eltern fahre, geht es mir genauso. Endlich Zeit zum Lesen, Stricken… Entspannung pur! Das liegt aber nicht nur am Bahnfahren an sich, sondern auch an der Strecke und dem Betreiber. Der Zug ist schön gemütlich, es ist nie richtig viel los, eigentlich habe ich immer eine Bank für mich. Es ist sauber (erstaunlicherweise sogar die Zugtoilette), das Personal ist nett… Ganz anders geht es mir auf anderen Bahnstrecken… grelle Neonbeleuchtung, schlechter Geruch, viele Menschen, Fußballfans und Junggesellenabschiede. Dann wird Bahnfahren plötzlich zum Horror.

  2. Vom Bahn fahren höre und lese ich immer nur.

    Aber ich kann mich noch sehr gut an meine letzte Fahrt erinnern. Sie ging von Hannover und endete irrtümlicher weise in Augsburg. Bin doch glatt total entspannt eingeschlafen und habe das Aussteigen an meinem Zielbahnhof verpasst. 😉 Also blieb mir nur die Rückfahrt.

    Jetzt fahre ich nur noch mit dem Auto. Das ist für mich auch entspannend. Ich fahre stets B und L Straßen und kann jederzeit anhalten. Mache mir also keinen Stress.

  3. Ja, das stimmt, es kann auch richtig doof sein. Aber dennoch ist für mich die Zeit in der Bahn oftmals geschenkte Zeit in meinem dichten Kalender. Wann schaffe ich es sonst einmal, die Gedanken schweifen zu lassen? Und das auch noch in Fahrt, ich finde, das hat wirklich eine besondere Qualität. Danke für deinen Kommentar und viele Grüße

  4. Liebe Lilo, das ist ja eine lustige Geschichte. Na, einschlafen darf man dabei natürlich nicht. Ich fahre auch gerne Auto, aber wirklich eigentlich lieber Bahn. Nur ist das immer so eine Sache, wenn man vor Ort auch mobil sein muss. Aber letztendlich entscheidet das sowieso jeder für sich.
    Liebe Grüße

  5. Interessant, wie unterschiedlich Bahnfahren empfunden wird. Ich verbinde die Bahn mit Arbeit. Ich fahre im Schnitt so 2 – 3 mal pro Monat längere Strecken. Und dann sitze ich da immer und will so unbedingt raus. Gerade wenn das Wetter schön oder spannend ist – oder an diesen tollen, alten Geisterbahnhöfen. Mein Lieblings-Verkehrsmittel sind daher Fähren. Auch nach Sylt übrigens. 🙂 Schönes Wochenende und liebe Grüße, Stefanie

  6. Liebe Stefanie, ja, Fähren…die sind durch nichts zu ersetzen, finde ich. Und ja, total interessant, wie unterschiedlich jeder so die Sachen empfindet, es ist bei mir tatsächlich auch vor allem im ICE so, wenn es voll ist und unkomfortabel, wird es auch leicht doof.
    Liebe Grüße

  7. Bahn fahren…. nur wenn ich muss, obwohl….

    Als Kind bin ich mit meiner Oma jeden Sommer mit der BRD-Bahn und anschließend mit der DDR – Bahn zur Insel Usedom. Es war spannend und abends im Zug konnte ich die hell erleuchteten Fenster in den Häusern sehen. Und wenn es mal langsam voran ging, sah ich sogar die Zimmer mit den Bewohnern. Ich stellte mir vor, was das für Leute sind, was sie gerade machen, wie sie leben?

    Und heute? Umsteigen, Verspätungen, volle Abteils, enge Sitze…
    Zur Arbeit würde ich über 2,5 Stunden pro Strecke benötigen. Mit dem Wagen knapp 40 Minuten.
    Auf der anderen Seite, als ich noch in Essen arbeitete, 25 Minuten Fahrtzeit und Zeitung bzw. Buch lesen. Das war natürlich entspannend.
    Vielleicht sollte ich das nächste Mal doch wieder mit dem Zug fahren. Eine andere Sichtweise nutzen und meine „kindlichen“ Vorstellungen wieder hervorholen.
    Danke liebe Andrea für diesen Bericht. Und, es waren doch keine „Jungfern-Kraniche“, oder? 😉
    Liebe Grüße 🙂

Wer schreibt hier?

Hallo! Ich bin Andrea Lammert. Als Wegreisende, Bücherschreibende und Bloggerin bin ich stets auf Achse.

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